Die vegane Küche ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mediale Präsenz und eine gute PR-Strategie haben die Bewegung bekannt gemacht und zu Akzeptanz verholfen.
Ich finde das gut, gerade weil in letzter Zeit ein wenig vom weltanschaulichen
Hintergrund abgerückt wurde und der Blick sich nun mehr auf die gesundheitlichen Aspekte richtet.
Einige ausgezeichnete Köche  füllen die vegane Küche mit neuen, interessanten Inhalten, das ist der richtige Weg.
Lange hat sich die Szene darauf beschränkt Fleischgerichte ohne Fleisch zu kopieren. Das „Vegane Paradoxon“: Der assoziative Bereich bewegt sich noch ein wenig in der Fleischwelt, man spricht dort von „‚Gemüsedöner“, „Mettbrötchen“ oder eben dem „Veggie-Burger“ . Ich persönlich  hege eine Aversion gegen Burger aller Art, sie sind ein kulinarischer Albtraum, deswegen hat mich die  Affinität der Veganer zu diesen fragwürdigen Nahrungsmitteln  stets gewundert.

Der Kaiserhof in Karlsruhe geht mit dem monatlichen Vegan Brunch, das in Kooperation mit dem VEBU und Karlsruhe-Vegan präsentiert wird, einen eigenen, sehr guten Weg.
Dieses Buffet ist ganz wunderbar gestaltet, detailreich, sinnlich, einladend. Die Vielfalt der Speisen, alle vegan, ist zur Zeit wohl unerreicht. Einige Gerichte erinnern mich an die farbenprächtigen Zubereitungen eines Yotam Ottolenghi, die aromatischen Zusammensetzungen sind kompliziert und technisch sehr anspruchsvoll. Die Klaviatur der vegetarischen Küche wird virtuos bedient, textile Vielfältigkeit und sensorische Struktur sind ausgetüftelt, dazu kommt noch die ausgezeichnete Präsentation. Zum Beispiel die »Hausgemachten Terrinen und Pasteten«, der eleganten Optik steht der Geschmack in nichts nach. Das ( stets frische ) Gemüse wird molekular heruntergebrochen, das wirkt aber in keiner Weise prätentiös, sondern ist viel mehr eine Wertschätzung des Materials und außerdem ein  Spiel mit der Konsistenz, mit der Struktur, es ist mehr als eine simple Etüde, das ist in  jeder Hinsicht konzertreif.

Die »Antipasti im Glas« sind gut ausgewählt. Normalerweise stelle ich solche Gläschen reflexartig zur Seite, einfach weil damit oft eine gefällige Präsentation über gastronomische Defizite hingweg täuschen soll. Hier ist das nicht der Fall, Paprika, Aubergine und Zucchini wurden zuerst blanchiert,  in der großen Pfanne durch das Olivenöl gezogen, dann sparsam mit Meersalz und etwas Pfeffer gewürzt, oben drauf eine süße Kirschtomate, perfekt.
Kein Bissen ist hier wie der andere, das ist das Spannende, das Kreative, es ist Avantgarde.

Ich probiere die »Kartoffeln im Salzteigmantel«, die Zubereitung erfolgt in einem „Mantel“ im Ofen also luftdicht verschlossen. Die Konsistenz ist umwerfend, wie ein Gelée kommt das rüber, die Farbe ist fast Bernstein geht leicht in das Durchsichtige,  die Zunge erfasst Aromen von Vanille und Karamell.
Die Reiskompositionen haben eine große aromatische Breite, die Konsistenz ist à point, obwohl im Rechaud gewärmt. Mir gefällt der fast puristische Reis mit den gerösteten Cashew-Kernen sehr gut, immer wieder wird der Orient zitiert, aber bedachtsam, nicht mit der Brechstange.
Ein Nudelgericht ist al Dente angerichtet, dazu ein Mango-Dip, eine interessante Idee, darauf muss man erst mal kommen.
Die »Reispapier-Wraps mit saisonalem Gemüse und Soja-Dip« sind knackig und frisch, ich weiß wie aufwendig die Zubereitung ist, gerne reissen die feinen Papiere, und man muss von vorne beginnen, sie müssen genau im richtigen Augenblick aus dem Wasser gezogen werden, nicht zu früh und nicht zu spät.

Paul Bocuse servierte in seiner „L’Auberge du Pont de Collonges“ stets schlechtes und altes Brot, die Gäste sollen lieber Kaviar und Gänseleber essen. Im Kaiserhof bekommen sie wunderbar frische Brot-Produkte, Brötchen und vielerlei andere Dinge wie zum Beispiel Hörnchen, dazu wird eine vegane Butter gereicht, die geschmacklich absolut in Ordnung ist (bitte denken sie daran, diese Rezension wird von einem Nicht-Veganer geschrieben).

Der Grüne Spargel ist leicht durch ein Pflanzenfett gezogen mit Meersalz gewürzt, und hat den richtigen Biss. Das »Rote Beete-Carpaccio mit karamellisierten Ingwer Äpfeln« ist dünn geschnitten, man merkt da wie viel Liebe dahinter steckt, es schmeckt ausgezeichnet mit einer leichten, frischen Schärfe, ich liebe Ingwer, wenn er richtig eingesetzt wird.
Am Ende noch ein »Crêpes Suzette«, dünn gebacken, mit etwas Karamellsauce, wirklich gut, ein paar Orangen-Filets geben noch den richtigen bitteren Touch.

Meiner Meinung nach ist das Spitzenküche, sensorisch durchstrukturiert, spannend, schön. Genau so muss man Vegetarismus und Veganismus interpretieren. Roh, kross, gegart, weich, schmelzend, eine sensorische Reise, das ist auch, und das dürfen sie mir glauben, nicht so ohne weiteres zu realisieren. Am Besten sie machen sich selbst ein Bild davon, ich konnte hier ja nur einen kleinen Ausschnitt beschreiben.

Grandgourmand: Absolute Empfehlung

Update: Leider gibt es seit einigen Jahren dieses Angebot nicht mehr

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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