Gourmetfestival, Scharffs Schlossweinstuben

2. Gourmet Festival Heidelberg bei Martin Scharff

Präludium

Auster-Auster-Auster

Hervorragender Empfang vor königlicher Kulisse im Heidelberger Schloss. Ein gut gewähltes Austern-Trio französischer und englischer Provenienz umschmeichelt den Gaumen, setzt Akzente. Nicht jeden Tag gibt es die edle Muschel aus Wildfang,  Martin Scharff tischt uns frische Maldon-Austern auf, sie glänzen durch feines Salz-Aroma mit Nuss-Note. Dazu passt der Laurent-Perrier „La Cuvée“ ganz ausgezeichnet, frische Zitrusfrüchte, Weinberg-Pfirsich, klar und kalt wie das Wasser vor den englischen Küsten. Alles ganz leger bei bestem Wetter. Leichtfüßig, klassisch, elegant.

Fingerfood

Feingeschichtete Ebenen fügen sich zu interessanten Strukturen. Sensorische Kabinettstückchen, klasse Textur, spannend! Gute Snacks sind eben den ausgezeichneten Köchen vorbehalten, zu oft zitiert man mit den  komplizierten Miniaturen gedankenlos klassische Gerichte. Nicht aber heute und hier in Heidelberg. Klar Sterneküche, manchmal leicht orientalisch angehaucht, es darf auch mal knacken im Mundraum, herrlich. Immerhin, knapp 100 Jahre Michelin Sterne warten auf uns, Wahnsinn!

Jens Bomke, Geschmelztes Kalbsschwanzcanneloni und Bries auf Kohlrabi mit grünem Apfel und Sauerklee

23 Jahre Michelin-Stern, Institution im Münsterland, Lokalpatriot, regionale Küche leben , runter vom Hummer-Trüffel-Himmel, sein passendes Motto!

Hauchdünne Cannelloni, Kalbsschwanz auf Niedrig-Temperatur durchgeschmort, lange und auf die Minute. Leichte Anis-Note in einem grünen Element. Bries zartschmelzend. Grüner Apfel in Mikroquadern und als Gel. Zauberhaft-kross der Kohlrabi, ein Gemüse-Negligee, zum Anbeißen! Morcheln kaum merklich. Ein Hauch von Demis-Glas untermalt mit leichtem Strich das Geschehen. Schöne Komposition. Post-Nouvelle-Cuisine, ein Horsd’œuvre comme il faut.

Dazu trinken wir:

  • 2012 Ürziger Würzgarten Riesling Grosses Gewächs Reserve trocken, Weingut Dr.Loosen
  • 2014 Halenberg Riesling -R- Große Lage, Weingut Schönleber

Wunderbare Weine! Trotzdem war ich persönlich über das gesamte Menü ein wenig überfordert – neben der kulinarischen Degustation –  das Zusammenspiel der Speisen mit jeweils zwei Weinen pro Gang zu beurteilen. Entweder ich bin bei einer Weinprobe, wo ich mich ganz auf die feinen Tropfen konzentrieren darf, oder aber: Es gibt nur einen Wein pro Gang, so stilsicher wie Martin Scharff ist, sollte das kein Problem sein.

Otto Fehrenbacher, Minestrone von der Jakobsmuschel mit Shitake-Pilzen und Basilikum

Fehrenbacher stellt sich als Heidelberg-Fan vor, sein Publikum liebt ihn, er ist frankophil durch und durch.

Fehrenbachers  Gemüse-Kreation bewegt sich impressionistisch zwischen Minestrone, Bouillabaisse und Dashi.
Provence steigt in die Nase, ich sehe den Lavendel blühen.  Breites Aroma-Spektrum, Bernstein scheint durch das Porzellan, ganz leichte Materie. Feingliedrige und feinfühlige Umsetzung. Eine Paprika-Julienne kann sich nicht für eine Textur-Dimension entscheiden, geplant oder Zufall? Basilikum erst im Decay, Shitake sorgt für sanftes Röstaroma mit Knoblauch-Note, toll! Eine Nelke verirrt sich und irritiert auf der Zunge, ist das erotisch? Macht sehr viel Spaß und ist auf jeden Fall poetisch.

Dazu trinken wir:

  • 2017 Sauvignon Blanc „S“ Leimener Herrenberg, VDP Erste Lage, Weingut Seeger
  • 2015 Graacher Domprobst Riesling Grosses Gewächs trocken, Weingut Dr. Loosen

Martin Scharff, Bretonische Seezungenroulade mit Langoustinos auf jungen Erbsen mit Schwetzinger Spargel und Bisque mit orientalischem Bergkraut

Hat schon in Wales eigenhändig Lämmer geschlachtet, Super-Koch, stilsicher!

Yin und Yang Konzept aus Bisque und einem Erbsenpüree, Rot-Grün. Langoustinos mit lockerer Tempura-Kruste, ausgezeichnete Qualität. Bisque aus Crevetten-Schalen, phantasievoll, umami, gelungen, frei von Konventionen,  eben Scharff. Die Seezunge unterhält sich glänzend mit dem Erbsenpüree, immer wieder stichelt die Bisque. Feine Chili-Fäden reizen uns ein klein wenig. Der Spargel schaut mich etwas ratlos an. Das orientalische Bergkraut sorgt für das aromatische Wetterleuchten, der Teller wird romantisch in Szene gesetzt, sehr ästhetisch, erfreut die Seele.

Dazu trinken wir:

  • 2016 Astheimer Chardonnay, Weingut Fürst
  • 2004 Riesling Spätlese, Weingut Vollrads (nicht im freien Handel erhältlich)

Bernhard Reiser, Zweierlei von der Rouen-Ente mit wildem Brokkolimuffin und Himbeer-Paprikasorbet

Reiser will zeigen, dass auch aus einer Ente viel mehr herauszuholen ist, als so mancher Laie denkt, damit hat er recht!

Ente geräuchert und gebraten. Keulen mit Trüffel gefüllt. Kalt-Fein versus deftig-warm, gewagt, funktioniert nubei genauer Degustation, dann ist es aber geil! Erst im Zusammenspiel mit dem Himbeer-Paprika-Sorbet gibt der Brokkoli-Muffin sein Geheimnis preis, das Gericht strahlt Persönlichkeit aus.

Im Sustain für mich ein klein wenig zu viel Barbecue, bleibt zu lange auf der Zunge. Eine Prise Zurückhaltung im Rauch und das Ding ist perfekt. Technisch anspruchsvoll, Spiel mit Temperaturen.

 

Dazu trinken wir:

  • 2014 Frühburgunder „R“, Weingut Fürst
  • 2015 Frühburgunder „R“, Weingut Seeger
 

Bernd Siefert, Honig-Rosmarin-Parfait mit Salat von Aprikose, Gartengurke und süßem Pesto dazu Balsamicokaramell und Safranvinaigrette

Vielleicht der beste Konditor/Patissier der Welt

Die Kunst liegt in der Leichtigkeit des Vortrags, ein Satz der für alle kreativen Momente gilt. Siefert beherrscht die Aroma-Klaviatur, daran besteht kein Zweifel. Ein solches Dessert gibt es nicht à la carte, es kann nur im Rahmen eines solchen Events entstehen.
Aprikose und Rosmarin haben ihren eigenen Auftritt, die Aprikose ist schüchtern und zaghaft, eine junge Sopranistin, eine Debütantin, zum ersten Mal vor großem Publikum. Der Rosmarin hingegen mit stolzgeschwellter Brust, ein eleganter Bariton, seiner Rolle wohl bewusst, hält sich trotzdem stilvoll zurück, schmeichelt sich gekonnt ein! Plötzlich, aus dem Fegefeuer der Ideen, meldet sich die Gartengurke in Mixed-Pickles-Manier, mozartesk, ein Papageno,  jederzeit bereit die Szenerie ordentlich aufzumischen,  amüsant,  geistreich, virtuos. Honig und Safran rezitieren im Hintergrund.

Wenn auf dem Teller etwas gut und interessant ist, darf es sich gerne wiederholen, es steigert unser Verlangen. Musikalisch beweist Beethoven das in seiner 6. Sinfonie. Das Violin-Motiv aus dem 2. Takt der Einleitung wiederholt sich 72 Mal ohne uns jemals zu ermüden, immer und immer wieder hören wir es ohne dessen überdrüssig zu werden.  Bernd Siefert beherrscht die Kunst der Repetition, er weiß diesen Effekt als Stimme in der kulinarischen Partitur einzusetzen. Fantastisch!

Dazu trinken wir:

  • 2013 FRÜHLINGSPLÄTZCHEN Riesling Auslese, Große Lage
  • 2007 Riesling Auslese, Weingut Vollrads

Schlusschor

Herzlichen Dank an den Affineur Volker Waltmann aus Erlangen, seine Käseauswahl war sublim und einer solchen Veranstaltung würdig. Die exklusive Auswahl wusste auf ganzer Linie zu überzeugen, ich selbst war vom Ziegenkäse nicht mehr wegzubewegen. Verdammt gut!

Ein sehr gutes Event. Ich wünsche Martin Scharff und seinen Freunden weiterhin viel Erfolg, das ist beste Werbung für die Kulinarik! Die Winzer waren alle persönlich vor Ort, was für ein Aufwand! Geduldig haben sie uns ihre ausgezeichneten Weine auf verständliche Weise erklärt und uns damit die Pforten der Wahrnehmung geöffnet.

Martin Scharff in Heidelberg…

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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