Mathias Guthmann, Christian Bau
Mathias Guthmann im Interview mit Christian Bau, Foto: Barbara Merzdorf

Die kulinarische Landschaft ist in den letzten Jahren in Deutschland unglaublich spannend geworden. Dazu beigetragen haben Kreativ-Köpfe wie zum Beispiel Thomas Bühner, Kevin Fehling und Christian Bau.
Christian Bau ist eine der interessantesten Figuren der Branche, intellektuell und impulsiv, kreativ und planvoll, innovativ und klassisch zugleich. 2018 wird er vom Gault Millau zum Koch des Jahres gekürt, eine der höchsten Auszeichnungen des Metiers!
Christian Bau ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und wurde kürzlich zum
Ehrenbotschafter der Japanischen Küche ernannt. Sein Restaurant in Perl-Nennig an der Mosel, direkt an der Grenze zu Luxemburg, ist mit drei Michelinsternen ausgezeichnet.
Dort wurde auch dieses Interview geführt.

MG: Herr Bau, haben Sie die Fragen schon gelesen?

CB: Nein, das tue ich nie. Gestern habe ich bereits ein Interview gegeben, es ging um
Vorkasse, Stornogebühren und um gesellschaftspolitische Themen. Wenn man die Fragen schon kennt, kann man nicht mehr authentisch antworten. Entweder man antwortet mit offenem Visier, oder man lässt es bleiben. Das ist so wie in diesen Interviews nach den Fußballspielen der Bundesliga. Den Spielern wird ein Mikrofon in die Hand gedrückt und jeder von ihnen sagt das selbe: „Ich bin froh, dass wir gewonnen haben, das war eine sehr gute Mannschaftsleistung“.
Die Antworten sind vom Management bereits vorgefertigt, das ist nichts für mich.
Entweder ich sage etwas zu einem Thema weil ich davon überzeugt bin, oder ich lasse es, Fragen vom Reißbrett interessieren mich nicht.

MG: Zur Zeit zitiert man Sie in der Presse, weil Sie ein Vorkassensystem einführen. Gibt es schon Feedback von Kollegen oder Gästen?

CB: Letzte Woche war die „Nacht der Sterne“, eine große Veranstaltung der ahgz mit über 100 Sterneköchen. Wir sind auf Platz 1 gelandet, natürlich gab es dort von den Kollegen großes Schulterklopfen und Händeschütteln. Wir stehen auf der Spitze der Pyramide, die Vorgaben für die Branche müssen von uns kommen.
Wir wollen Wegbereiter sein, die anderen können dann nachziehen. Wir reagieren auf Änderungen in der Gesellschaft, es ist ein Spiegelbild.

In Deutschland gehen Werte verloren, die Kommunikation geht verloren, der Anstand geht
verloren, Moral geht verloren, wir müssen darauf reagieren.

Es entsteht uns durch No-Shows ein wirtschaftlicher Schaden.
Das erste Gespräch mit dem Gast führen wir oft erst, wenn er schon im Restaurant ist. Vorher ist das leider schwierig.
Jemand bestellt im Januar per Handy einen Tisch für Ende April, zum Wochenende. Wir versuchen, diesen Gast zu kontaktieren, man drückt uns weg oder es wird uns eine Büronummer gegeben. Wenn man dort anruft heißt es oft: „Der Chef ist gerade weg“.
Wir müssen aber unbedingt mit dem Gast sprechen, um zum Beispiel eventuelle
Unverträglichkeiten und Allergien zu besprechen. Den Tisch müssen wir uns natürlich auch rückbestätigen lassen, das geschieht spätestens 48 Stunden vor dem Termin, wieder werden wir weggedrückt.

Wir versuchen es dann per E-Mail, kurz vor dem Termin kommt dann oft die knappe
Kurznachricht: „Wir kommen, keine Unverträglichkeiten“.
Keine Grußformel, überhaupt nichts, das ist inzwischen Gang und Gäbe, als Dienstleister haben wir damit zu kämpfen.
Wir wissen nicht, ob der Gast tatsächlich kommt oder ob der Tisch ausfällt, er lässt sich einfach nicht kontaktieren.
Es geht um Ressourcen und um Nachhaltigkeit, wir kaufen Ware, die dann nicht verwendet wird.
Ein Beispiel: Erst kürzlich ist das Restaurant am Dienstagabend ausgebucht. Am gleichen Abend sagt ein 4-Personentisch ab, am Mittwoch ein 2-Personentisch, aus einem 10er-Tisch wird plötzlich ein 7er-Tisch. Eingekauft wird aber für 21 Gäste, ein Desaster.

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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