Mathias Guthmann im Interview mit Philipp Kiefer, Foto: Tom Mettendorf

Mathias Guthmann im Interview mit Philipp Kiefer, Foto: Tom Mettendorf

 

[typography font=”Abril Fatface” size=”20″ size_format=”px” color=”#e1cca1″][dropcap]P[/dropcap][/typography]hilipp Kiefer war 2015 Deutschlands bester Jungwinzer. Im pfälzischen St.Martin ist es ihm gelungen Weine anzubauen, die auch mit den ganz Großen mithalten können. Er ist zusammen mit Uwe Warnecke einer der Organisatoren der véritable, wo sich Jahr für Jahr die Top-Winzer der Branche ein Stelldichein geben.

GG: Lieber Philipp, Sie sind der kreative Kopf hinter der Ambrosia-Linie, auf Ihrer Website kann man lesen, dass Ihr Riesling, den Sie zusammen mit Lars Lander entwickelt haben, ewige Jugend verleihen soll. Ich persönlich finde, dass der Anspruch absolut in Ordnung geht.

Aromen, Gerüche und Geschmack sind ja unmittelbar mit unseren Erinnerungen verbunden, und diese Erinnerungen halten uns ja auch jung.

Unsere Frage: Gibt es da eine Dosierungs-Anleitung? Funktioniert das schon mit einer einzigen  Flasche oder muss man größere Mengen davon trinken um diese wunderbare Wirkung zu erzielen?

Philipp: (lacht) Man muss den Riesling schon in rauen Mengen trinken, am besten Magnum Flaschen!

Wir bauen die Rieslinge ja so aus, wie sie von der Natur erwachsen, wir belassen die Säure, in der Jugend sind sie deswegen etwas rauer, verschlossener, sie werden spontan angegoren. Sie haben eine etwas höhere Säure, sie brauchen das aber auch, weil sie etwas „stoppig“ sind und viel Frucht haben. Dagegen stehen Argumente wie Mineralik, Säure und Holz, die Weine sind sehr langlebig, auch weil die Stöcke ausgezeichnet sind.

GG: Das ist sehr komplex was da im Weinberg vor sich geht…

Philipp: Wir haben den Weinberg 2006 angepachtet, alles wurzelechte Stöcke…

GG: Ich hake kurz ein: Wurzelecht bedeutet, dass unter der Erde die gleiche DNA vorhanden ist wie über der Erde, beim Fruchtträger…

Philipp: Genau so ist es. Es kam dann die Flurbereinigung, ich habe damals die besten fünfzig Stöcke ausgesucht und habe sie in die Vermehrung geschickt. Darüber habe ich dann auch eine Diplomarbeit geschrieben. Jeder einzelne Stock wurde von mir probiert beziehungsweise ausgepresst. Das beste Ergebnis war dann die Diversität, also die unterschiedlichen Stöcke. Die haben wir dann weitervermehrt und wieder in den Weinberg gesetzt.

GG: Sie sind mit den Traditionen eines angesehenen Weinhauses aufgewachsen. Sozusagen mit dem Weine groß geworden. Gab es jemals die Idee, etwas anderes zu werden als Winzer? Zum Beispiel Astronaut, Pilot, Lokführer oder Feuerwehrmann?

Philipp: Lange Zeit habe ich nicht gewusst, was ich machen soll, einfach weil es auch sehr stressig ist bis man sich mit dem Produkt Wein identifiziert. Nach dem Abitur stand die Entscheidung aber dann fest. Die Lehrzeit habe ich dann bei von Wenningen und bei August Ziegler in Maikammer durchgezogen. Während des Studiums habe ich viel verkostet und Kontakte geknüpft. Ein halbes Jahr lang war ich in Neuseeland, die Liebe zum Wein ist damals entstanden.

GG: Rieslinge?…

Philipp: Nicht ganz, ich war vorwiegend in Hawke’s Bay. Hauptsächlich Chardonnay, Merlot, Cabernet-Sauvignon, viel Sauvignon-Blanc. Es ging dann in den Süden der Insel, in Central Otago habe ich dann Pinot Noir gemacht.

GG: Hatten Sie (außer Ihrem Vater) Vorbilder, die Ihr Schaffen am Weinberg geprägt haben?

Philipp: Mein Vater hat schon früh mit Barrique-Fässern hantiert, Anfang 1980,  St.Martin war damals eher touristisch bekannt, der Weinbau spielte eine untergeordnete Rolle. Wir haben das geändert indem wir die Qualität gepusht haben, wir haben viel Arbeit reingesteckt. Ende 1990 hat man dann angefangen die Trauben zu halbieren, zu entblättern, die Arbeit im Weinberg wurde verfeinert, das ist das Wichtigste. Im Keller kann ich die Traube nur erhalten, sie muss quasi in bester Qualität schon in den Keller kommen.

Es hängt viel am Boden, die Mineralik ist natürlich hier anders als an der Mosel, eignet sich aber sehr gut für den Riesling.

GG: Genau wie ich, sind Sie ein großer Riesling-Fan. Welchen Wein darüber hinaus schenken Sie sich gerne einmal ein?

Philipp: Ich liebe den trockenen Riesling, aber auch ganz klar einen Chardonnay aus dem Burgund.

Es kommt auf den Anlass an, restsüße Tropfen von der Mosel, ein schöner Kabinett zum Beispiel. Alles was gut gemacht ist, trinke ich auch gerne. Ein schöner Winzersekt, so etwas liebe ich auch, muss nicht gleich Champagner sein, aber die kleinen Sekthäuser sind oft grandios. Früher haben wir oft Weinproben mit Uwe Warnecke gemacht, es wurde alles mögliche an großen Weinen probiert.

GG: Ein guter Wein entsteht ja bekanntlich in der Vorstellung des Winzers. Gedanklich und handwerklich muss alles passen. Gab es schon echte Rückschläge, also zum Beispiel ein Jahrgang, der so gar nicht ihren Erwartungen entsprochen hat?

Philipp: Ich war zum Beispiel vom Jahrgang 2011 enttäuscht, für uns passen eher die säurehaltigen Jahrgänge. 2008, 2010 und 2013 waren große Jahrgänge, 2016 auch, sehr fruchtbetont mit toller Säure. 2012 und 2015 waren opulente Rotwein-Jahrgänge. 2011 war einfach „zwittrig“, hat nicht meinen Vorstellungen entsprochen, zog sich aber so durch ganz Deutschland. 2006 war übrigens auch nicht so toll, ging schnell in die Botrytis (Grauschimmelfäule, Anm. d. R.).

GG: Man steckt das weg und bringt die Weine gar nicht in den Verkauf?

Philipp: Genau, wir haben teilweise gar nichts abgefüllt in diesen Jahrgängen, für Ambrosia brauchen wir die Top-Jahrgänge. Reinsortiger Cabernet muss halt durchgereift sein.

GG: Eine ganz andere Frage: welchen Tropfen aus Ihrem Sortiment würden Sie eher den Damen empfehlen und gibt es einen besonders männlichen Wein in Ihrem Portfolio?

Philipp: Der «Gewürztraminer, fruchtig» kommt sehr gut an, absolut ein Frauenwein sage ich mal. Im Trend für Männer und Frauen liegt im Moment der Blanc de Noirs, super-fruchtig, Easy-Drinking, ein ganz unkomplizierter Wein.

Männlich sind natürlich unsere kantigen Rotweine mit ordentlich Gerbsäure, zum Beispiel der «Cuvée Alois», sind zwar anfangs ziemlich rustikal,  entwickeln sich aber auf die Jahre top!
Am Anfang sind die kantig, schwer zugänglich, nach 3 oder 4 Jahren sind sie dann aber ein Gedicht, dann sind sie aber schon ausverkauft!

GG: Sie sind einer der Veranstalter der véritable, die Auswahl der Weine ist ja sehr persönlich. Was unterscheidet dieses Event noch von anderen Veranstaltungen dieser Art?

Philipp: Einige Großveranstaltungen sind überdimensioniert und unpersönlich, es gibt Veranstaltungen mit über 6000 Ausstellern. Hier ist es familiär, bei gutem Wetter eine Super-Atmosphäre, es ist einfach idyllisch. Die véritable ist auch für den Ort St.Martin sehr wichtig geworden, die Messe kommt sehr gut an. Zudem sind alle Winzer selbst da, ein großes Plus!

GG: Sie wollen nächstes Jahr weitermachen, natürlich mit Uwe Warnecke?

Philipp: Ja, wir haben für Uwe Warnecke sogar einen Wein ausgebaut, den «Crazy Uwe». Ein Riesling, gelesen im Maikammerer Heiligenberg, er wollte so einen Kabinett-Style. Schwache Spätlese, wenig Alkohol, schöne Säure, langlebig. Ausgebaut wie ein Riesling-Kabinett von der Mosel, wir haben von Nick Weis ein Fass bekommen und darin spontan vergoren. Er ist nun zum ersten Mal abgefüllt, einfach großartig!

GG: Die Ambrosia Linie ist ja nun sehr bekannt, der Riesling wurde im Gault Millau 2014 mit sagenhaften 89 Punkten bedacht. Gibt es Pläne, ganz neue Kreationen auf den Markt zu bringen? Boden und Klima sind ja vielfältig in dieser Gegend, da sollte doch noch etwas gehen, nicht wahr Phillipp?

Philipp: Ich habe schon ein anderes Thema! Der Ambrosia ist nicht so einfach zu verstehen, wenn man die Gegend hier nicht kennt. In Zukunft will ich den Ambrosia  vielleicht als Reserve-Linie lassen, ich schiebe dann einfach nicht klassifizierte große Weine rein, zum Beispiel einen Chardonnay, einen Cabernet oder einen Cuvée. Oben drüber setze ich dann die 2 Steillagen, für den Kirchberg zum Beispiel mit Pinot Noir und Riesling. Dauert alles seine Zeit, die Weine sind noch zu jung.

GG: Sind Sie mit Ihren Weinen in die gehobene Gastronomie vorgestoßen, und wenn ja: Mit welchem?

Philipp: Wir sind regional gut vertreten, außerdem im Deidesheimer Hof, Krone Haina, Wolfsburg Aqua, Goldmann Frankfurt. Es gibt gute Adressen, das wird aber noch mehr.

GG: Eine letzte Frage: Ist der biologische Anbau für Sie ein Thema, Stichwort «Orange Wine»?

Philipp: Wir arbeiten naturnah so weit es geht. In schwierigen Jahrgängen wollen wir aber nicht auf einen Pflanzenschutz verzichten. Herbizide für den Boden werden aber nicht eingesetzt. Wenn die Rebe intakt ist, dann läuft es ohne Hilfsmittel, ansonsten muss man etwas tun. Genau so ist es ja auch beim Menschen, wenn er krank ist, man muss dann tätig werden.

Lieber Philipp, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch!

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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