Lasst uns Wein und Frauen, Heiterkeit und Gelächter genießen. Predigten und Sodawasser am Tag danach. Lord Byron
Erst einmal vielen Dank an den R & B Verlag, der mir diesen üppigen Band zur Rezension gesendet hat.
»Das Dandykochbuch, Originalrezepte für Männer mit Stil« so der Titel dieses Buches von Melanie Grundmann. Außer ihrer äußerst reizvollen Erscheinung verfügt die Autorin über einen treffsicheren, amüsanten und fundierten Stil. Nicht umsonst betreibt sie eine Website über Dandysmus, voll gepackt mit historischen und literarischen Informationen, ein Ausflug der sich lohnt.
Das Buch ist wie eine Oper geschrieben (vielleicht standen Rossini und Beaumarchais hier Pate?).
Zunächst natürlich die Ouvertüre, das Thema: Austern.
Trefflich gewählt, ich selbst bin ein großer Liebhaber der köstlichen Muscheln, am liebsten mit einem eiskalten Crémant und etwas Baguette, direkt vom Boot. Melanie – an dieser Stelle verzichte ich auf das förmliche “Sie” – zitiert in der Ouvertüre Balzac, der in seinen Pariser Novellen folgende Szene im Café de Paris beschreibt:
sechs Dutzend Ostender Austern, sechs Koteletts à la Soubise, ein Huhn à la Marengo, eine Hummermayonnaise, junge Erbsen, geröstete Champignonschnitten […], drei Flaschen Bordeauxwein, drei Flaschen Champagnerwein, mehrere Tassen Kaffee und Liköre.
Eine gute Ouvertüre, ein Entrée par excellence, kommt zu mir, ihr lieben Austern!
Es folgt der 1.Akt mit einem Klassischen Menü und folgenden Arien, respektive Rezepten:
- Schildkrötensuppe
- Steinbutt
- Carlton-Schnitzel an Sauce Robert
- Pute à la Régence
- Aprikosentörtchen
- Flambierte Ananas
- Brandykirschen
- Regent’s Punch
Bevor der geneigte Leser nun innerlich zusammenzuckt weil das skandalöse Menü eine Schildkrötensuppe enthält: Das Gericht muss laut Autorin dandystisch betrachtet werden, es hat den Rang der Dekadenz und darf folglich in einem Kochbuch für Dandys nicht fehlen, das wäre ein Faux Pas comme il faut. Selbstverständlich steht das schöne Tier unter Artenschutz, als Alternative gibt es aber die »Mockturtlesoup« die Sie aus Kalbskopf und Kalbfleisch zubereiten können.
Das Aprikosentörtchen ist ein Gedicht, Lord Avanley, ein großer Dandy, soll sie stets in Reichweite gehabt haben, ein Luxus den ich mir auch gerne gönnen würde, zumal die Qualität des Konditors um die Ecke in letzter Zeit etwas zu Wünschen übrig lässt.
Ganz formlos dürfen Sie den »Regent’s Punch« immer dann reichen, wenn etwas Ennui aufkommt. Bitte steigen Sie dazu in Ihren gut sortierten Weinkeller (oder überlassen Sie das Ihrem Diener) und versorgen Sie sich mit Jamaikarum, Brandy, Curaçao, Weißwein vom Rhein, Arrak, Madeira und schließlich 3 Litern Champagner, daraus wird der Punch nämlich gebraut.
Der 2. Akt steigert sich mit dem Flamboyanten Menü, das einleitende Rezitativ kommt direkt aus der Feder Lord Byrons, der »Canto des Don Juan«. Das Menü ist so reich an Gerichten, dass ich hier nur eine Auswahl präsentieren kann, alles andere würde den Rahmen sprengen:
- Soupe à la bonne femme
- Truthahn à la Perigord
- Gaumen à l’Allemande
- Timbale
- Taubensalpikon
- Puits d’armour
- Consommé à la Rossini
- Fürst Pückler Eisbombe
Die Rezeptur des Truthahns à la Perigord ist außergewöhnlich, vor allem die Menge an Trüffel, die man am besten vor Ort im Perigord erwerben soll, erstaunt uns. Alleine für die Füllung des Federviehs müssen Sie 500 g Trüffel einrechnen, es kommen noch für die Sauce 6-8 Stück des edlen Pilzes dazu. Vielleicht probiere ich das Rezept einfach mal mit Steinpilzen, diese originale Rezeptur übersteigt bei Weitem meine Möglichkeiten, schade. Laut Brillat-Savarin wurden übrigens seinerzeit in Paris während der Trüffelsaison 36000 getrüffelte Truthähne verzehrt, ein Grund mehr, endlich eine Zeitmaschine zu erfinden.
Die Puits d’amour (Liebesbrunnen) sind aber durchaus machbar, aus Blätterteig, Schlagsahne, Pistazien und Früchten Ihrer Wahl.
Optisch wie geschmacklich ein Highlight: Die Fürst-Pückler-Eisbombe, mit essbaren Blüten, diätischen 1,4 Litern Sahne und Konfitüren aller Art.
Im 3. Akt wird es dramatisch, dunkel, etwas nekrophil: Das Schwarze Menü.
In meinem Geiste klopft es an die Türe und der Komtur meldet sich zum Essen, ich hätte ihn damals auf dem Friedhof wahrlich nicht einladen sollen, pure Blasphemie (bitte erraten Sie jetzt die Oper und Sie erhalten 10 Zusatzpunkte).
Ganz anders die Autorin, Sie bezieht Ihre Inspiration aus Joris-Karl Huysmans Roman »Gegen den Strich«. Der Protagonist Jean Floressas des Esseintes lädt dort zu einem solchen Menü ein:
Während ein unsichtbares Orchester Trauermärsche spielte, waren die Gäste von nackten Negerinnen bedient worden, die Pantoffeln und Strümpfe aus mit Tränen besätem Silberstoff trugen. Von schwarzgeränderten Tellern hatte man russisches Roggenbrot, reife Oliven aus der Türkei, Kaviar, […] nach dem Nußbranntlikör Kwaß, Porter und Stout genossen.
Ein kleiner Überblick über die Gerichte des Schwarzen Menüs:
- Schildkrötensuppe à la Ude
- Kaviar auf Blini
- Frankfurter Blutwürstchen
- Ambraduftende Schokoladencreme
- Nesselrode Pudding
Gerne würde ich die Ambraduftende Schokoladencreme zubereiten, die Substanz stammt aus dem Verdauungstrakt des Pottwals und wird in der Parfum-Industrie für hochpreisige Duftwässerchen auch heute noch gerne eingesetzt.
Kein Problem: Die Frankfurter Blutwürstchen, erhältlich bei jedem gut ausgestatteten Metzger.
Den Kaviar auf Blini habe ich selbst schon für eine Hochzeits-Gesellschaft zubereitet, schmeckt ausgezeichnet.
Das Finale schließlich glänzt mit einem Absinthpudding, die hochprozentige Spirituose ist in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen, allerdings ohne die Zutaten denen seinerzeit reihenweise Dandys, Künstler und Bonvivants zum Opfer fielen.
Im Anschluss findet man die Historie, überaus lesenswert, ich selbst habe mit diesem Teil des Buches begonnen. Über die Anfänge des Dandysmus bis zu den Höhepunkten der Bewegung (oder sollte man besser sagen Stilrichtung?) findet der Leser viele Informationen, sehr gut recherchiert und detailreich erzählt, ein Genuss!
Der reich bebilderte Prachtband mit historischen Abbildungen und sehr guten Fotos überzeugt. Nie driftet die Autorin ins Triviale ab, bei so einem Thema ist das gar nicht so einfach. Statt dessen glänzt sie mit profunder Kenntnis der Materie und zeichnet für ihr Sujet eine Milieustudie. Die mehr als 200 Seiten sind hervorragend gestaltet. Lobenswert ist die Bibliografie, die ich für die Rezension oft zu Rate gezogen habe.
Und nicht zuletzt liefert Melanie auch noch Einkaufshinweise, sogar eine Bezugsquelle für Ambra wird genannt.
Das Buch ist eine Kaufempfehlung, es ist kein Kochbuch im herkömmlichen Sinn, sondern zeigt uns plastisch, wie Kulinarik, Eleganz und Ausschweifung sich im Dandysmus ausgedrückt haben.
Liebe Melanie,
sollten Sie diese Rezension lesen, würde ich mich über einen Kommentar direkt auf dem Blog sehr freuen,
Mit herzlichen Grüßen,
Mathias Guthmann
Melanie Grundmann
Das Dandy-Kochbuch
Original-Rezepte für Männer mit Stil
bei Rogner & Bernhard
ca. 40 €
ISBN 978-3-95403-092-7
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Lieber Mathias,
besten Dank für die tolle Rezension! Es freut mich natürlich außerordentlich, dass das Buch auch beim Fachmann so gut ankommt. Lass mich wissen, wenn du etwas daraus nachkochst oder variierst, zum Beispiel der Truthahn mit den Steinpilzen.
Beste Grüße, Melanie
Danke Melanie, mich würde tatsächlich interessieren an welche Oper du gedacht hast,
viele Grüße,
Mathias
Lieber Mathias,
keine bestimmte, aber Rossini gab tatsächlich die Inspiration, das Buch so aufzuziehen.
Alles Gute, Melanie