Das hochprozentige Getränk ist nicht einfach, man muss es erklären, die Geschichte, den Geschmack, das Gefühl. Weltweit wird die Komplexität des goldenen Tropfens, oder wie die Schotten sagen, des “Lebenswassers” geschätzt. Man unterscheidet zwischen den Single Malts ( pure gemälzte Gerste aus nur einer Brennerei), den Malts und den Blends. Kenner lieben den Single Malt weil jeder Schluck garantiert aus nur einer Destillerie kommt, die Grundlage für lebenslange geschmackliche Liebesbeziehungen. “Jim Murray’s Whisky Bible” verleiht den hiesigen Tropfen teils hohe Noten, die Destillate werden sorgfältig und raffiniert hergestellt.
Inzwischen gibt es hier mehr Destillerien als in Schottland, kleine Brennereien in denen der Whisky mit viel Herzblut und Aufwand hergestellt wird. Das Problem ist die Lagerzeit, Erzeugnisse aus Schottland lagern schon wesentlich länger in den begehrten Holzfässern aus Eiche, das wirkt sich natürlich auf das Endprodukt aus, trotzdem, auch hier wird der Liebhaber fündig werden, und vielleicht sogar den Tropfen seines Herzens entdecken.
3-Länder-Tasting: Deutschland-Österreich-Schweiz
Angela V. Weis ist eine Kennerin ihres Fachs, kein Wunder, sie ist zertifizierte Edelbrand Sommelière und außerdem die Schwäbische Whisky-Botschafterin. In dieser ehrenvollen Eigenschaft veranstaltet sie regelmäßig Whisky Tastings, so heuer auf der Slow Food Messe im Rahmen des Continental Whisky Markets, eine echte Bereicherung für die Messe.
Für mich als olfaktorisch orientierter Genußmensch ein Muß und die Gelegenheit Zunge und Nase mit dem flüssigem Gold auf erfrischende neue Wege zu führen.
Man trifft sich in lockerer, aber durchaus professioneller Runde, mir gegenüber ein distinguierter Herr, der wie es sich später herausstellt selbst den Whisky brennt. Außerdem ein bunt gewürfelter, männlicher Haufen, Whisky ist wohl eine der letzten männlichen Bastionen, obwohl ich meine, dass auch das weibliche Publikum Erfahrungshorizonte erweitern könnten.
Angela stellt uns 4 ausgesuchte Erzeugnisse aus der Bodensee-Gegend vor, auch weil sie ein besonderes Augenmerk auf die dortigen Abfüllungen richtet, und aus dem Vollen schöpfen kann.
Wir beginnen mit einem Senft aus Salem-Rickenbach, seit 2009 wird dort von Vater und Tochter mit Gerste aus eigenem Anbau und Bodenseewasser der Whisky gebrannt. Der Tropfen ist recht komplex, aber nicht überzüchtet, auf den ersten Schluck etwas flach, entfaltet aber nach und nach Aroma. Für mich ein typischer 17-Uhr Whisky, perfekt um nach einem anstrengenden Arbeitstag etwas zur Ruhe zu kommen. Die Nase nimmt eine zarte Rauchnote auf, der Nachklang ist sanft fruchtig, insgesamt rund im Auftritt, vielleicht etwas zu glatt, aber das ist Geschmacksache, er schmeckt eher wie ein Blend, ich vermute das ist so beabsichtigt und deswegen auch völlig in Ordnung.
Es folgt der TauernRogg von der österreichischen Brennerei Guglhof. Auf über 1000m Höhe wird der Roggen geerntet, aus dem dann das kostbare Destillat entsteht. Zunächst reift der Whisky in Limousin-Fässern später erfolgt eine Nachreifung im Sauternes Süßweinfass. Wir entdecken einen erdigen Geschmack mit Zitaten von Dörrpflaume, das kann man mögen, muss man aber nicht. Mit 42% Alkoholgehalt ist das ein leichter Single Malt. Das Kantige hat mir gefallen, der pflaumige Nachklang nicht ganz so gut, aber das muss jeder für sich entscheiden.
Angelika legt jetzt eine Schippe drauf, es ist Zeit für einen Whisky aus der Schweiz, einen Säntis Malt von der Brennerei Locher in Appenzell. Mächtig steigt er in die Nase, dieser waschechte Single Malt, mit einem starken Rauch, nichts für Mädchen, ein echter Swiss Highlander! Ein gut getroffenes Bernstein entzückt das Auge, der erste Alkohol-Ansturm wird torfig abgefangen, ein gelungener Zungen-Einstand aus dem Glas. Die aromatische Perspektive ist weit und hoch, aber nicht beim ersten Schluck, das Spektrum entfaltet sich noch weiter während der Verkostung. Der hopfige Ton aus den Bierfässern, wo man den Brand reift, ist stimmig und bestimmend, die gewisse Aufdringlichkeit wird ihm verziehen weil er sympathisch rüber kommt. Mit der Zeit und etwas Sauerstoff entfalten sich angenehme Honig Nuancen, darüber immer die starken Rauchklänge, brachial! Die Kürze der Reifung im Faß wirkt interessant und ist keinen Abzug wert. Mir hat das Ding gefallen, hop Schwitz!
Das Design der letzten Flasche aus der Verkostung gefällt mir nicht, obwohl von gleicher Hand gebrannt wie der Vorgänger, betont verspielt, der gewisse “too much touch”. Wieder ein Säntis, diesmal der Snow White. Er soll fruchtig und leicht daher kommen, und eine gewisse Süsse haben. Ich finde ihn auf der Zunge enttäuschend und im Nachklang schwach, eine bemühte Kompostion, maximal ein Salieri, niemals ein Mozart. Vielleicht ist auch der Kontrast zum großen Bruder Säntis Malt zu groß und man muss ihn anders kategorisieren, ob man in ernst nehmen sollte? Entscheiden sie selbst, rausgeworfenes Geld ist das trotzdem nicht!
Angela, vielen Dank für dieses ausgezeichnete Tasting, das mit Poesie und Können zum Erlebnis wurde, jederzeit wieder!
©Mathias Guthmann, grandgourmand.de
Hallo Herr Guthmann,
nochmals ganz herzlichen Dank für den schönen Rückblick auf das Tasting!
Es hat mir viel Spaß gemacht, gemeinsam mit Ihnen zu Verkosten.
Auf Anmerkung eines anderen Teilnehmers mir gegenüber eine kleine Anmerkung; die Reihenfolge der ersten beiden verkosteten Whiskys war andersherum: wir haben mit dem österreichischen TauernRogg begonnen, der im Sauternes-Fass gelagert war und 42% Alkoholvolumen vorzuweisen hatte und sind dann schon zu den Fassstärken mit Senft’s Bodensee Whisky (55%) übergegangen um haben dann in der Schweiz die “Dreifaltigkeit erklommen” 😉 und zum Abschluss- “Digestiv” gab’s dann die Glühbier-Fass Variante des Säntis Malt.
🙂
Herzliche Grüße aus Tübingen!
Sehr geehrte Frau Weis,
war ein großes Vergnügen, vielen Dank für die Berichtigung,
Beste Grüße,
Mathias Guthmann