Schwedt debütierte als Sachbuch-Autor 1976 mit seiner Publikation „Chromatographische Trennmethoden“. Bis heute veröffentlichte Schwedt über siebzig Bücher, eine beeindruckende Zahl. Georg Schwedts Werk umfasst im Wesentlichen drei Bereiche: Zunächst die Lehrbücher, ein Meilenstein ist sein „Taschenatlas der Analytik“ der ins Englische, Französische, Japanische, Chinesische und Griechische übersetzt wurde. Ein zweiter Bereich deckt die Sachbücher ab, populärwissenschaftliche Veröffentlichungen oft interdisziplinärer Natur. Schließlich die Experimentier-Bücher, bekannt ist die Reihe mit den Supermarkt-Produkten.
Meisterhaft und humorvoll versteht es der Autor wissenschaftliche Themen einem breiten Publikum zu vermitteln.
Das mir vorliegende Werk in der 3. Auflage gehört zur beliebten Reihe der Experimentier-Bücher, selbstverständlich musste das Leitmotiv behalten werden: Die Küche ist ein chemisches Laboratorium.
Den Anfang macht ein kulturgeschichtliches Essay, gut recherchiert und stimmig erzählt. Besonders unterhaltsam ist der Ausflug in die Schlossküche von Sanssouci. Unter Friedrich Wilhelm IV. wurden umfangreiche Küchenerweiterung vorgenommen. Die eiserne Kochmaschine ist das Prunkstück der Küche, dabei handelt es sich um einen geschlossenen Herd.
Bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts war die Küche ein unangenehmes Arbeitsumfeld. Die Hitze war unerträglich, die brennende Kohle gab giftige Gase ab, die Küche war ständig voller Qualm.
Mit der Einführung des geschlossenen Herdes verringerte man übrigens auch die Menge an Brennstoff die bis dato eingesetzt werden musste um das Feuer bei Laune zu halten.
Es folgen Ausführungen über Rumohr (Geist der Kochkunst), Brillat-Savarin (Physiologie des Geschmacks) und Apicius. Einen Abschnitt widmet Schwedt dem Ursprung der modernen Küche. Interessant ist die Theorie von Rachel Laudan über die Frage warum Süßspeisen nach dem Hauptgericht serviert werden. Die Antwort sei medizinischer Natur schreibt sie und begründet das mit medizinischen Konzepten des 17.Jahrhunderts. Ich selbst würde diese historische Entwicklung eher auf die „Entremets“ zurückführen. Das waren “sämtliche Speisen, die früher nach dem Braten serviert wurden, also Gemüse und „süße Gerichte“. Im Mittelalter am Hofe von Königen und Fürsten waren Entremets ein wahrhaftes Spektakel, da die Gerichte unter Begleitung von Musik, Jonglier- und Tanzdarbietungen aufgetragen wurden.“ (Der Grosse Larousse Gastronomique, S.240)
Gesichert ist auf jeden Fall die Bedeutung des 17.Jahrhunderts für die Entwicklung der Kochkunst durch revolutionäre Ideen.
Wie dem auch sei das Kapitel ist gut geschrieben und wie ich meine auch notwendig.
In Kapitel 2 geht es im wahrsten Sinne ans Eingemachte. Schwedt erklärt uns die „Sieben Parameter für Versuche in der Küche:
- pH-Werte
- Mineralstoffe
- Proteine
- Stärkeprodukte
- Reduzierende Stoffe
- Phenolische Stoffe
- Gerbstoffe
Gerätschaften für die Versuche werden vorgestellt, Sie werden feststellen, dass schon handelsübliche Töpfe und Kasserollen weitestgehend ausreichen um die Experimente durchzuführen.
Alle Versuche sind logisch aufgebaut, zuerst die benötigten Materialien, dann die Durchführung und anschließende Beobachtung und schließlich die Erläuterungen.
Kapitel 3 geht auf Garungsarten und -verfahren ein. „Der Begriff Garen umfasst Verfahren der Lebensmittelzubereitung durch Wärmebehandlung und auch durch chemische Behandlungen wie das Salz- oder Essiggaren…“. Der Begriff der „kulinarischen Metamorphose“ erscheint in diesem Zusammenhang im exakten Lichte. Wir Köche wissen ja was es bedeutet zum Beispiel ein Stück Filet etwas über dem Garpunkt zu treffen, schnell führt das zu einer kulinarischen Katastrophe.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Garen im Wasser. So wird uns zum Beispiel in Versuch 24 das Siedeverhalten von Kochwasser im Modellversuch erläutert. im weitesten Sinne geht es hierbei um Übergänge vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand. Versuch 58 führt uns den Vorgang des glasierens plastisch vor Augen. Zunächst wird den Zwiebeln im heißen Fett Wasser entzogen (Anschwitzen) durch Zugabe von Wein nehmen sie wieder Wasser auf, die Inhaltsstoffe der Zwiebel haben sich bereits im aufgenommenen Fett aufgelöst oder verflüchtig, so werden schließlich die Zwiebeln glasiert.
Kapitel 5 vertieft die Erkenntnisse und behandelt das Garen im Fett.
Sehr interessant ist die Abhandlung über die Fertigsuppen und ihre Inhaltsstoffe. Auch hier wieder ein historischer Exkurs. Die Geschichte der Fertigsuppen beginnt bereits im 19.Jahrhundert, Urmutter aller Fertigsuppen ist die Erbswurst, später von der Fa. Knorr verfeinert und noch heute erhältlich. Die Wurst konnte im Wasser gekocht werden und ergab eine Suppe, über deren Geschmack sich sicher streiten lässt. Schwedt geht des weiteren auf die heutige Fertigsuppen-Technologie ein. Kapitel 10 schließlich befasst sich mit den Nährstoffverlusten beim Kochen von Gemüse, in Versuch 124 wird der Ascorbinsäureverlust beim Zubereiten von Gemüse (Grüne Paprika) ausgeführt.
Ich meine hier ein sehr gelungenes Sachbuch in Händen zu halten, Professor Schwedt ist für seine gut recherchierten populärwissenschaftlichen Publikationen bekannt. Die Experimente sind mit wenigen Utensilien selbst nachzuvollziehen. Das Werk richtet sich an alle Köche und Hobby-Köche die genau wissen wollen, was eigentlich abläuft, wenn sie mit ihren Töpfen, Zutaten und Flüssigkeiten hantieren. Ich kann das Buch als Wissenserweiterung und unterhaltsame Reise durch die Welt der Chemie in der eigenen Küche nur empfehlen.
Georg Schwedt
Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen
- Taschenbuch: 232 Seiten
- Verlag: Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; Auflage: 3. überarb. u. erg. Auflage (12. August 2015)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3527339671
- ISBN-13: 978-3527339679