Veröffentlichung nur mit Namensnennung des Urhebers (Foto: Melanie Bauer PHotodesign)

In der 2. Folge mit Dieter Müller geht es um ein Soufflé, Molekularküche, Fußball und den Wettbewerb Koch des Jahres.

Tatsuya Shimizu

Sakura

Die Kirschblüte symbolisiert in Japan Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit. Der junge Tatsuya Shimizu versteht es, in seinem Signature Dessert diesen poetischen Anspruch umzusetzen. Ein vermeintlich enges Aromenspektrum wird meisterhaft verwirklicht, dabei ist es weder eindimensional noch reduziert. Die Komposition ist technisch anspruchsvoll, Shimizu zieht alle Register, um seine konkrete Vorstellung umzusetzen. Ein Kirsch-Gelée Donut schließt Freundschaft mit einem Kirsch-Sorbet. Crumble von der Azuki Bohne und Mochi Reis setzen feine Akzente, das Dessert lehnt sich natürlich an die japanische Tradition an, ist aber trotzdem modern. Ein Ballon aus Reispapier wird eingefärbt und mit einer Kirsch-Creme gefüllt, es ergeben sich interessante Texturen. Der Grundakkord ist Kirsche, darüber setzt Tatsuya verspielte Diskant-Aromen, dramaturgisch durchdacht. Das Dessert ist ein verdammt guter Gaumenschmeichler!

Mathias Guthmann, für Young Talents, Koch des Jahres

GG:

Ein Jury-Mitglied für Koch des Jahres muss Erfahrung, Leidenschaft, technisches Know-How und Geduld mitbringen. Über Stunden degustieren Sie nacheinander verschiedenste Kreationen.

Ist es nicht sehr schwierig, nach jedem Teller die kulinarische Erinnerung sozusagen auf Null zu setzen, um eine objektive Beurteilung abzugeben, um überhaupt noch sinnlich wahrnehmen zu können?

Dieter Müller:

Man braucht eine gute Kondition, das ist die Voraussetzung um bei diesem Wettbewerb zu degustieren. Während der Degustation muss man mit wenig Wein und viel Wasser neutralisieren.

Von der Jury fordere ich Fitness und ich habe festgelegt: Jeder bewertet für sich selbst!

In meiner Jugend habe ich als Sous-Koch bei zwei verschiedenen Wettbewerben teilgenommen und beide gewonnen. Das ist der Ehrgeiz, meine Frau behauptet, das wäre sogar übertriebener Ehrgeiz, was ich natürlich ganz anders sehe. Es steckt viel Leidenschaft dahinter, man will immer gewinnen, das Schlimmste ist es zu verlieren!

Würzen, Garpunkte und kleine Überraschungen, für mich sind das ganz wichtige Aspekte. Entscheidend sind aber auch die Saucen, sie sind reinste Kochkunst, die ersten Jahre habe ich das vermisst.
Wissen Sie, am Anfang war viel Einfluss von Ferran Adrià mit dabei, die Aroma-Elemente auf den Tellern.

Trotzdem ist es mit der  Molekularküche in Deutschland schwierig, das klingt aber auch bereits schon wieder ein klein wenig ab. Viele Techniken wurden handwerklich in die Hochküche mit eingebracht.


Eines Tages  arbeitete ich an einem «Soufflé Loup de Mer», ich machte mir Gedanken darüber, wie man es am besten realisieren kann.
Wenn das Soufflé aus dem Ofen kommt und ganz locker ist, bekommt es manchmal Beulen, fällt beim geringsten Luftzug zusammen.
Ich habe einen Krustentier-Fond mit Agar-Agar zubereitet, das ist eine Algensubstanz die als Bindemittel dient, Ferran Adrià hat viel damit gearbeitet. Agar-Agar ist brüchig, ich habe ein wenig Blatt-Gelatine hinzugefügt um die molekulare Struktur zu verändern. Der Fond wurde zwei Millimeter dick auf Edelstahlbleche ausgegossen. Daraus habe ich passende Formen geschnitten und sie über das noch im Ofen stehende Soufflé gegeben, es wurde praktisch mit einer Haut überzogen, sensationell!
Ein Gast wollte wissen, wie man dieses Soufflé so schön hinbekommt, ich erklärte es ihm, woraufhin er  die Augenbrauen hoch zog und mir erstaunt entgegnete: „Wie bitte? Sie kochen jetzt auch schon molekular?“
Man sieht also: Wenn man kreativ ist, kann man kann aus modernen Technologien großen Nutzen ziehen.

GG:

Gibt es Augenblicke, wo Sie sich wünschen, dass ähnlich wie beim Fußball,  vielleicht ein Einwechsel-Spieler hereinkommt und Sie sich für ein Weilchen auf die Bank setzen dürfen?

Dieter Müller:

Gegenfrage: Ist beim Fußball ein Lionel Messi entbehrlich? Kürzlich wurde ich als tatsächlich als Lionel Messi der deutschen Köche vorgestellt, ich selbst ordne mich aber eher der Kategorie Uwe Seeler zu.
Uwe Seeler war ein Stehaufmännchen, ein Kämpfer, hat nie eine Schwalbe hingelegt.
Man kann solche Individualisten, solche Könner nicht einfach aus dem Spiel nehmen.

Ich habe den Wettbewerb mitentwickelt und bin auch immer mit dabei.
Das ist eine große Verantwortung. Im Unterbewusstsein vergleiche ich alle Kandidaten. Ich spiele das Geschehen im Gedanken durch, lasse alles vor meinem geistigen Auge passieren, es geht mir sehr viel durch den Kopf.

Es kommt auch auf die Kleinigkeiten an, schließlich soll ja der Beste Koch des Jahres werden.
Ich probiere von Anfang bis Ende alle Kandidaten-Teller durch.

Gerade die letzte Ausgabe war ein absoluter Höhepunkt, eine Steigerung im Vergleich zu den letzten Jahren. Am Anfang war der Wettbewerb schwierig. Ich habe in den Medien an die Küchenchefs appelliert, talentierte Köche zu Koch des Jahres zu schicken.
Die ersten zwei Jahre habe ich nur daran gedacht, dass es ähnlich werden muss wie in Spanien, dort war ich 2010 beim Finale dabei. Die Spanier wollten mich unbedingt dabei haben, eine unglaubliche Stimmung war das.

Dazu muss man anmerken, dass dort einfacher gekocht wurde, mit viel Olivenöl und wenig Sauce.

Es waren ja dann auch Spanier in der Jury, sie waren vom Niveau sehr überrascht.
Ich denke, was die Harmonie und die Vielseitigkeit auf dem Teller betrifft, sind die deutschen Köche mittlerweile kreativer, sie haben viel dazu gelernt!

Die Spanier sind wie die Italiener, für sie gilt: Weniger ist mehr! Das stimmt oft, das unterstütze ich, trotzdem muss ein wenig Sauce sein. Außerdem mag ich eine Mischung von Geschmortem und Kurzgebratenem und natürlich Fisch. Macht mir endlich einmal einen Fisch mit Sauce!

Mittlerweile ist vieles umgesetzt worden, es geht wieder ein wenig zurück zu den Wurzeln.
In der Jury waren wir alle begeistert, ein WOW-Erlebnis, es waren nicht nur zwei Favoriten, sondern tatsächlich vier, an der Spitze ging es ganz eng zu.

GG:

Wenn ich degustiere, versuche ich zunächst die Objekte zu identifizieren. Danach ordne ich die Elemente gedanklich zu Akkorden, um die Intention zu erkennen. Am Ende schwebt mir die kulinarische Konstruktion vor Augen.

Ein Koch versucht – im besten Fall – seine ganz eigene Vorstellung mit Leidenschaft und Herz an den Gast zu bringen. Die Wege dahin sind vielfältig: Dekonstruktion, Reduktion oder das Arbeiten mit additiven Elementen um interessante Aroma-Akkorde zu schaffen.

Welches Konzept hat die Jury von KDJ, um alle Kandidaten möglichst fair zu beurteilen?

Dieter Müller:

Natürlich, die Reduktion und das Arbeiten mit Aromen, Gewürzen und Kräutern, das ist wichtig!
Nichts ist schlimmer, als ein Gericht, dass entweder fade ist oder zu salzig. Salz ist ein Geschmacksverstärker, genauso wie Zucker, alles muss aber dosiert werden, ein Gericht braucht von Anfang bis Ende eine Steigerung.
Jeder Juror hat seinen persönlichen Erfahrungswert, die Vorgaben werden am Anfang besprochen, die Bewertung ist streng.

Selbstverständlich hat aber ein Jury-Mitglied aus Spanien eine andere Sichtweise auf die Dinge. Ein Koch soll ein Ästhet sein, und sein Arbeitsplatz muss das widerspiegeln, in der Küche soll es einladend sein, auch so etwas wird bewertet.
Oft sind es Kleinigkeiten, die beim Fertigstellen eines Gerichtes wichtig sind, alles muss rund laufen, da wird schnell noch die Lieblingspfanne gespült oder das Messer geschärft.

Für die Kandidaten ist das nicht einfach, auf der der ANUGA mussten die Kandidaten in kleinen Zellen arbeiten, trotzdem kamen Ergebnisse auf Sterne-Niveau heraus.

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Kochen und Genießen mit Sternekoch Dieter Müller

Mit diesem Kocherlebnis möchte Dieter Müller Sie in eine Welt des kulinarischen Genusses entführen. Verbringen Sie mit ihm einen Kochtag in der ganz privaten Atmosphäre bei Müllers im schönen Odenthal, im Bergischen Land, ca. 20 km von Köln entfernt.

Sie kochen zusammen mit dem Sterne-Koch ein Menu, das sich an den Produkten der jeweiligen Jahreszeiten orientiert und seiner Kochphilosophie entspricht: aromenreich, modern, zeitgemäß, mit frischen Kräutern. Er gibt Ihnen Tipps und zeigt Ihnen Tricks. Sie lernen beispielsweise die Zubereitung von Fonds und Saucen, er erklärt die eingesetzten Produkte, schult in Warenkunde und den Umgang mit Messern und Schneidetechniken.

Und so gestaltet sich Ihr Kochtag: Nach einer Besprechung des Einkaufs, der Rezepte und des Menus wird jeder Gang von Dieter Müller persönlich vor- und zubereitet – natürlich mit Ihrer Hilfe. Mit abgestimmten Weinen genießen Sie dann das Menu, umsorgt von Birgit Müller, an einem festlich eingedeckten Tisch. Übrigens: Wer meint, er könne nicht gut genug kochen, dem möchte der gebürtige Südschwarzwälder die Hemmungen nehmen und zeigen, wie viel Spaß es macht gemeinsam am Herd zu stehen. Kochen und gemeinsames Genießen, sich auszutauschen in einer Runde „Gleichgesinnter“ verbindet ungemein. Zumal Ihre exklusive kleine Runde aus maximal 8-12 Teilnehmern besteht.

weitere Informationen auf der Website von Dieter Müller…

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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