Mathias Guthmann im Interview mit Uwe Warnecke
Mathias Guthmann im Interview mit Uwe Warnecke
Seit nunmehr 7 Jahren organisiert der Sommelier Uwe Warnecke zusammen mit Philipp Kiefer im pfälzischen St.Martin die Weinmesse «véritable». Jedes Jahr treffen sich dort die großen Namen der internationalen Winzer-Szene, um ihre Produkte dem Fachpublikum zu präsentieren.
Grandgourmand hatte das große Vergnügen, den anerkannten Sommelier ausführlich zu befragen. Das Interview fand übrigens in der «Villa im Paradies» in Deidesheim statt. Dort leitet Marie Menger-Krug eine der besten Sekt-Manufakturen Deutschlands.

GG: „ Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse“, ein Satz aus der Feder des großen Surrealisten Salvador Dali.
Wollten Sie vielleicht deswegen Sommelier werden, um dem Geheimnis des Weines etwas näher zu kommen?

Uwe Warnecke: Nein, das Thema Wein ist es, zu kombinieren, manchmal sehr extrem.

GG: Gab es in Ihrer Karriere eine Quelle der Inspiration, vielleicht einen Mentor?

Uwe Warnecke: Da gibt es ein paar  Leute: Hardy Rodenstock, Wolfgang Engelhardt, Peter Beck, Werner Knipser und Bernd Philippi, mit diesen Leuten durfte ich die größten Weine trinken die es gibt.
Das heißt für mich zurück bis  in das 19. und 20. Jahrhundert, großes Kino, zum Beispiel 47er oder 23er Pétrus, Mouton, alles was es so gibt.
Mein väterlicher Freund, so sage ich immer, das ist der Bernd Philippi. Er kommt aus Kallstadt, wo er die berühmte Lage „Saumagen“ hat. Er hat das Kernstück in der Lage, das Filetstück, sein Riesling ist Kult und Legende! Er ist ein großer Connaisseur, reist zusammen mit Bernhard Breuer um die Welt.
Mit dem hat er übrigens in Portugal ein Weingut. Beide sind als Berater tätig, unter anderem auf Madeira. Phillipi war der erste, den ich in der Pfalz kennengelernt habe, wir waren praktisch jedes Wochenende zusammen essen, er brachte immer seinen Mischlingshund aus Madeira mit.

Wir sind zusammen durch die Weinberge gefahren, nach Freinsheim. Dort gab es ein ganz kleines italienisches Restaurant. Wir tranken einfachen Chianti, aßen Carpaccio und kleine Calamares.

GG: Ein Sommelier dekliniert ja nicht einfach nur Vokabeln oder lernt Fakten auswendig. Der Gast soll sich für das Produkt begeistern. Ist der Sommelier in gewisser Weise nicht auch ein Moderator,  der sich auf vielen verschiedenen Gebieten auskennt, damit er mit seinen Gästen eine anregende Konversation führen kann?

Uwe Warnecke: Manchmal kommt es mir vor, als sei der Sommelier zu viel Moderator. Der Sommelier soll schon für das Produkt begeistern, er soll sich aber auch im Hintergrund halten.

GG: Es ist eine besondere Begabung, nicht einfach reflexartig einem Trend hinterher zu laufen, sondern Strömungen und innovative Details zu erkennen.
Ist das für Sie eine Wissenschaft, sind es stilistische Überlegungen, oder hilft am Ende doch die Leidenschaft, die richtige Spur zu finden?

Uwe Warnecke: Es gibt nur drei Dinge: Leidenschaft, Begeisterung und Emotionen. Wenn die nicht da sind, egal was Sie tun und sei es häkeln, dann können Sie den Deckel drauf machen, es geht nicht.

GG: Reden wir über Wein und Essen. Ein guter Sommelier setzt auf gezielte Akzente, die wiederum differenzierte Reaktionen hervorrufen. Vor einem „süffigen“ Gesamtbild steht meines Erachtens zunächst eine subtile Empfehlung. Essen und Wein verzahnen sich danach auf das Feinste,  es entsteht ein facettenreiches, komplexes  Aromen-Gemälde.
Erreicht man dieses Ziel eher mit Intuition oder überwiegen konzeptionelle Überlegungen?

Uwe Warnecke: Ich würde ganz klar sagen: Mit Intuition. Ich kann nicht zum Gast an den Tisch gehen und mit einem Konzept anfangen. Ich muss an jeden Gast anders rangehen, muss vorher schon abchecken, was wäre er bereit, für eine Flasche Wein auszugeben.

GG: Für Sie zur Zeit der Weintrend, wenn es ihn überhaupt gibt?

Uwe Warnecke: Momentan: Rosé! Übrigens auch an der Mosel, Markus Molitor zum Beispiel baut Rosé an, Markus Schneider baut ihn mit großem Erfolg an. Das ist auf jeden Fall so ein kleiner Trend, Rosé!

GG: Sie sind ja weit gereist, irgendwo auf dieser Welt wird es immer einen Wein geben, über den Sie eine Geschichte erzählen können, den Sie schon probiert haben.
Wo steht Ihrer Meinung nach der Wein aus Ihrer Wahlheimat Deidesheim im internationalen Vergleich?

Uwe Warnecke: Da muss ich weit weit zurück gehen. Es gibt in Deidesheim große Weingüter, die schon uralt sind: Bassermann-Jordan, von Buhl, von Deinhard, von Winning, Menger-Krug.
Wir haben hier Weltklasse-Lagen, Kirchenstück, Pechstein, absoluter Top-Riesling.

GG: Ein Sommelier muss einfühlsam sein und gleichzeitig klare Entscheidungen treffen, der Wein muss zum Essen passen,  obwohl die geschmackliche Wahrnehmung ungeheuer subjektiv ist.
Zunächst einmal ist es ja nicht ungewöhnlich,  dass der Gast eine ganz andere Vorstellung hat, als der Sommelier.
Nähern Sie sich diesem Sujet mit einer Methode,  oder treffen Sie die Auswahl „aus dem Bauch“?

Uwe Warnecke: Ich möchte niemals einen Gast überfordern, ich möchte niemals, dass der Gast meint, ich wäre schlauer als er. Er soll das gar nicht merken. Ich möchte mit meinem Gast spielen, er soll daran eine Freude haben, ohne, dass ihm der Geldbeutel wehtut.

GG:  Ein gutes Thema, wäre es nicht an der Zeit, die Preise auf der Weinkarte etwas zu überdenken? Oft zahle ich ja für einen mittelmäßigen Wein übermäßige Preise!

Uwe Warnecke: Ja, die Weinkarten in Deutschland sind total überteuert. Die Gastronomen haben eine Kalkulation mit einem Multiplikationsfaktor von 300, das ist ein No-Go! Da macht es mir doch keinen Spaß, abends mit meiner Frau ein „Großes Gewächs“ zu trinken, der sowieso schon sehr teuer ist, eine 2. Flasche kann ich mir ja dann gar nicht mehr erlauben. Schließlich will man ja auch noch essen, ein Dessert bestellen und einen Kaffee trinken. Die Gastronomie muss das günstiger kalkulieren und die Umschlagsgeschwindigkeit erhöhen!

GG: Die «véritable» geht 2018 bereits in die 8. Edition. Anfangs noch ein Geheimtipp,  hat sich die exklusive Weinmesse im wunderschönen St.Martin zu einem der Top-Events der Branche entwickelt. Es gelingt Ihnen immer wieder,  Winzer-Persönlichkeiten zu gewinnen, die international einen hervorragenden Ruf genießen:
Dirk Niepoort,  der den Weinbau in Portugal revolutioniert hat, Alois Lageder – Biowinzerlegende aus Südtirol, Angelo Gaja – der den Wein in Italien quasi zur Vollkommenheit entwickelte, Pierre Trimbach aus dem Elsaß mit seinen wunderbaren Rieslingen und Pinots, Baron Patrick de LaDoucette – Gottvater des Pouilly-Fumé und viele andere.
Wie würden Sie unseren Lesern diese Erfolgsgeschichte erklären?

Uwe Warnecke: LaDoucette würde ich nicht dazu zählen,  der ist ein Massenprodukt. An der Loire gibt es 3 oder 4 wirklich hervorragende Weine, zum Beispiel Didier Dagueneau. Das sind ganz besondere Weine, nicht so gefällig wie LaDoucette. Die véritable ist die schönste Weinmesse in Deutschland.

Aber zu Ihrer Frage: Ich habe gute Kontakte, rufe meine Freunde an und sie kommen. Es sind die Winzer selbst, die an ihrem Stand stehen, man sieht da keine lackierten Fingernägel. Ich will die Winzer selbst! Auch wenn die noch Dreck vom Weinberg an der Kleidung haben, das sind die Typen die ich brauche!

GG: Hätten Sie vielleicht ein paar Zahlen für uns, zum Beispiel Besucher, Umsatzzahlen etc.?

Uwe Warnecke: 650 Besucher, nächstes Jahr dann 100 Winzer, ansonsten spreche ich nicht gerne über Zahlen.

GG: Parkhotel Restaurant „La Truffe“ (Sommelier), Deidesheimer Hof (Maître d’Hôtel), Queen Elisabeth II (Restaurantleiter). Das sind nur einige Stufen Ihrer beruflichen Laufbahn.

Mit welcher dieser namhaften Stationen verbinden Sie die interessantesten Erinnerungen?

Uwe Warnecke: „La Truffe“, das war eine ganz besonders interessante Zeit. Wir haben tolle Sachen gemacht, der Lachs wurde am Tisch geschnitten, Tartar, Crêpes Suzette am Tisch zubereiten, Fische korrekt filetieren, Schnepfen, Wachteln, sehr klassisch, gibt es heute kaum noch. Man hat direkt vor dem Gast gearbeitet. Man konnte sehr viel lernen.

Ich hatte das große Glück als Maître de Restaurant im Aachener Gala mit Joel B. Payne arbeiten zu dürfen, damals war er mein Mundschenk, das Wort mag ich lieber als den Sommelier.

In der Position stand ich über ihm, aber ich habe ohne Ende von Joel gelernt. Es gab dort den größten privaten Portweinkeller in Deutschland: Graham, Cockburn, Taylor, Niewpoort und viele andere.

GG: Wie viele Flaschen muss ich trinken, um annähernd Ihren Wissensstand zu erreichen?

Uwe Warnecke: In Zahlen nicht zu beziffern, wenn ein Wein mir nicht schmeckt, dann wird er zur Seite gestellt, wird nicht getrunken.

GG: Ihr persönlicher Favorit ist ein Riesling aus der Pfalz?

Uwe Warnecke: Nein, nein, meine Favoriten sind ein „Château Cheval Blanc 1947 MAGNUM“,  oder ein 23er Pétrus MAGNUM.

GG: da kommt man aber schwer ran, nicht wahr?

Uwe Warnecke: Kann ich mir natürlich auch nicht leisten, aber ich durfte ihn probieren.

GG: Ihre Meinung über den Schraubverschluss?

Uwe Warnecke: Im unteren Preisbereich für die Gastronomie eine gute Sache, gerade für den Ausschank in die Gläser. Für die hohen Qualitäten ist für mich ein Kork unabdingbar.
Wenn der Kellner keinen Spaß dabei hat die Flasche zu öffnen, dann ist das nicht gut.

GG: Ich habe schon viel über Ihren eigenen Wein gehört, den Crazy Uwe, würden Sie unseren Lesern etwas darüber verraten, dürfte ich ihn vielleicht sogar degustieren?

Uwe Warnecke: Natürlich dürfen Sie den probieren, ich sende Ihnen eine Flasche zu. Philipp Kiefer hat ihn nach meinen Vorstellungen ausgebaut.
Er liegt in einem Keller, 250 Jahre alt, Spontanvergärung in einem Fass von Nick Weis.

Ich empfehle Magnums! Nächstes Jahr Crazy Uwe, nur Magnums.
Ein ganz leichter Wein mit 8,5% Alkohol, ich habe hier nicht die Böden wie an der Mosel. Trotzdem habe ich einen Wein hinbekommen, mit ordentlich Säure und einer tollen Aussage!

Zum Schluss habe ich noch eine Anmerkung:

Die Sommeliers machen viele Fehler: Glasweise Wein ist nicht möglich, sagen die Jungs. Oft geht die Weinkenntnis nicht über die Weinkarte hinaus.
Ohne Rückfrage werden längere Vorträge gehalten, dabei will ich doch nur Wein trinken und genießen! Digestif-Kenntnisse gehen oft gegen null.
Der Titel des Sommeliers ist verfälscht: Käse-Sommelier, Wasser-Sommelier, Brot-Sommelier, was soll das denn?

Das ständige Nachschenken, man vermischt alten und frischen Wein, die ganze Zeit.
Oft wird der Wein viel zu früh angegossen.
Das Arbeiten am Tisch ist praktisch ausgestorben, wer kennt zum Beispiel noch eine Entenpresse?
Noch etwas zum Dekantieren: Machen Sie das lieber mit jungen Weinen, die alten sollten Sie eher in Ruhe lassen, sie oxidieren sonst zu schnell.

Lieber Uwe Warnecke, vielen Dank für dieses Gespräch!

Das Interview als PDF gibt es hier…

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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