In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ,  veränderte sich die Kochkunst durch eine Bewegung, die bis heute großen Einfluss auf die Spitzengastronomie ausübt, die Nouvelle Cuisine.

Der bedeutenste Vertreter der Richtung war  Paul Bocuse, der quasi ein „Manifest der Frische“ schuf, bekannt ist sein Satz: „Ein saftiges Bohnenkraut ist besser als ein trockener Hummer.“ Weniger bekannt, aber fast ebenso bedeutend ist Paul Haeberlin, der sich in seiner elsäßischen Auberge de l’Ill in die Herzen der Feinschmecker kochte. Obwohl ein Anhänger der N.C. betrachtete Haeberlin seine Küchenkunst stets mit dem Blick des Elsässers, er brachte das Kunststück fertig, Elemente aus dem regionalen Mikrokosmos mit der Nouvelle Cuisine zu verschmelzen, und das auf sehr hohem Niveau!

Haeberlin hat eine Doppelseite des Buches als  Gästeliste zur Verfügung gestellt, sie liest sich wie ein Who – is – Who des Jet-Sets und als ein  Stelldichein gekrönter Häupter vergangener Tage: Gunter und Mirja Sachs, Jean Marais und nicht zuletzt Elisabeth, Königinmutter waren gern gesehen Gäste in der Auberge.

Das Werk in der mir vorliegenden 3. Ausgabe aus dem Jahre 1982, herausgegeben durch den Düsseldorfer Econ Verlag ist klassisch aufgebaut.

Gert von Paczensky zeichnet für das Geleitwort verantwortlich. Er spart nicht mit Kritik an der damaligen Situation und prangert die massenweise Verbreitung minderwertige Kochbücher, und die Unsitte des „Kollegialen Abschreibens“ an.  Ach, wie aktuell klingen diese Zeilen heute, da sich die Regale in den Buchhandlungen unter einer schier unübersehbaren Menge mediokrer Machwerke biegen !
Gert von Paczensky war ein Kritiker, der messerscharf argumentierte und klug analysierte, nicht umsonst wurde er als ausgezeichneter Kenner der Materie im französischen Städchen Cognac zum Ehrenbürger ernannt.
Von Paczensky war aber auch ein Freund der „einfachen“ Zutaten wie Innereien, Kaninchen und Gemüse.
Es folgt eine Einführung von Bernd Neuner-Duttenhofer, nebst Versuch eines Portraits. Ein weiteres Kapitel beleuchtet die Geschichte der Auberge de l’Ill. Gekonnt trägt Duttenhofer die Farben der Region auf die Leinwand auf . Auch Martina Meuth versucht sich an einem Portrait, wie ich finde, durchaus lesenswert.

Der Inhalt:
Beginnt wie zu erwarten mit den Vor- und Zwischengerichten. Für Mutige: Salat von Kalbshirn mit Spargelspitzen
Die Suppen: Ein Highlight ist die Consommé de faisan aux querelles, auch heute oder erst recht heute schwierig zu bekommen. Es folgen die Légumes, typisch für die Region ist zum Beispiel das „Chou Rouge à l’alsacienne, gerne mit Gänseschmalz zubereitet. Les Poissons, sollten sie es sich zutrauen die „Filets de soles cardinal“ in Angriff zu nehmen, so seien sie meiner tiefsten Bewunderung versichert, das Rezept ist kein Spaziergang. Es folgen die Crustacées, die Coquillages und die Grenouilles.

Erst kürzlich wurde ich von einem Bekannten auf meine Vorliebe für die knusprige Delikatesse befragt. Meine Antwort: Solange man es zulässt, dass Schweine und Rinder in grauenvollen Verliesen untergebracht werden nur um den Fleischpreis am Boden zu halten, gibt es keinen Grund über eine Nischen-Liebhaberei den Stab zu brechen, die niemals im großen Stil oder gar global vermarktet werden wird (es sind Zuchtfrösche, die in der Gastronomie verarbeitet werden).

Und schon sind wir bei den Viandes,  den „Baekeofa“ bereite ich nach einem Soufflenheimer Rezept. Haeberlin geht in seiner Zubereitung mondän und raffiniert zu Werke, auch wenn es sich um ein rustikales Gericht handelt.

Ein weiterer Tipp des Kapitels: Tafelspitz in Pinot Noir. Zu vielen Gerichten wird ein Wein empfohlen, damit ersparen sie sich Gedanken über die richtige Wahl.

Les Volailles (Geflügel): Gleich am Anfang ein Klassiker, Coq au Riesling, ein ländliches Sonntagsessen mit Crème Fraiche, Butter und Zwiebeln, und natürlich dem Elsässer Riesling. Sehr schwierig: Die Zubereitung des Coq en pâte, eine Farce muss zubereitet werden, der Hahn wird dann in einer feuerfesten Form mit Blätterteig belegt, ein Leckerbissen!

Ein berühmtes Rezept ist im Kapitel Wild und Wildgeflügel, nachzulesen: Der Lièvre à la royale (façon Paul Haeberlin), diesen Hasen gibt es in einer Bocuse-Version, entscheiden sie selbst welche ihnen besser schmeckt.

Sogar den Innereien wird ein Kapitel gewidmet, oft werden ja diese Zubereitungen ausgelassen, weil nur ein bestimmtes Publikum angesprochen wird.  Mit den preisgünstigen Zutaten können wunderbare Mahlzeiten kreiert werden, es schmeckt nun mal nicht jedem.

Die Desserts sind traumhaft, selbst nachgekocht habe ich unter anderem die Crème renversé und den fantastischen Pêche Haeberlin, bei letzteren wird eine Champagne-Sabayon und ein Pistazieneis vorausgesetzt, die aromatisierten Pfirsiche werden dann à la minute zusammen mit dem Pistazieneis in der Sabayon serviert, ein barockes Gedicht! Nach einem Ausflug in die Patissérie endet das Werk mit einem französischen und einem deutschen Register.

Sollten sie die Möglichkeit haben, diesen Klassiker antiquarisch zu erwerben, schlagen sie zu! Das Buch ist ein Schlüsselwerk der Nouvelle Cuisine, es sollte direkt neben dem Bocuse stehen. Der Düsseldorfer Econ-Verlag (heute Ullmann) hat damals ein zeitloses Kompendium der extravaganten Küche  geschaffen, illustriert wird das Buch durch die ausgezeichneten Fotos von Johann Willsberger.

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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