Sven Hemman, Kesselhaus, Amuse Gueule

Amuse Gueule

Das Kesselhaus

[typography font=“Abril Fatface“ size=“20″ size_format=“px“ color=“#e1cca1″][dropcap]S[/dropcap][/typography]ven Hemmann lenkt seit einiger Zeit die kulinarischen Geschicke im Kesselhaus in Karlsruhe. Sein kreatives Talent und seine technischen Fähigkeiten wurden 2015 mit einem Michelin-Stern belohnt.
Hemmann war unter anderem in der „Villa Hammerschmiede“ und im „Schlossberg“ bei Jörg Sackmann tätig, eine Hausnummer.

Ich hatte das Vergnügen,  das große Degustations-Menü im „Le Salon“ zu genießen, dem neuen Feinschmecker-Tempel in Karlsruhe.
Nomen est Omen, der Gast betritt einen schönen, hell gehaltenen Salon mit einem großen Kamin, auf Pomp wird verzichtet, die Sinne sollen sich auf die Speisen konzentrieren.

Ein gutes Menü entsteht nicht nur durch die Kunstfertigkeit des Kochs, es lebt von einem perfekten Spannungsbogen, vom ersten Amuse Gueule bis zum Dessert. Neun Gänge präsentiert Sven Hemmann auf seiner Karte, daraus darf der Gast das Menü seiner Vorstellungen zusammenstellen oder einfach von Anfang bis Ende alles probieren. Die Ansprüche an Gaumen und Magen sind hoch, um aber einen detaillierten Überblick über das Œuvre des jungen Spitzenkochs zu bekommen ist letzteres die logische Methode, auch wenn dem Gast dabei einiges an Kondition und natürlich auch Konzentration abverlangt wird.

Sven Hemman, Kesselhaus, amuse Gueule

Sven Hemman, Kesselhaus, amuse Gueule

 

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Bereits das Amuse glänzt mit kristallklaren Tönen, eine elegante Präsentation mit fernöstlichen Zitaten. Ein Reagenzglas ist mit warmen Dashi gefüllt, der klare Bernstein-Ton trifft meiner Meinung nach das Original, Bonito Flocken und Kombu prägen das kräftige Aroma.
Die Yin-Yang-Butter fällt sofort ins Auge, ein Teil davon wird mit Asche geschwärzt um sich mit dem anderen, fast völlig weißen Teil zum Yin-Yang-Symbol zu vereinen, eine architektonische Meisterleistung. Eine winzige Teigtasche und weitere durchdachte Elemente vervollständigen die Komposition.

Hemmann verzichtet im ersten Teil seines Amuse Gueules komplett auf Salz, Akzente werden durch Komponenten gesetzt, nichts soll uns vom Geschmacks-Erlebnis ablenken, ein starker Auftakt!

Ein kleiner Zwischengang verführt uns mit Elementen vom Skrei und frittierten Garnelen-Beinen. Zitrus-Aromen sorgen für Geschmacksspitzen, die aber nicht die Balance stören,  sondern sich mit dem kräftigen Fisch zu einer anspruchsvollen Miniatur fügen.

Sven Hemman, Kesselhaus, Tafelspitz

Kalbstafelspitz, Wurzelgemüse, Meerrettich, Bouillon

 

Kalbstafelspitz, Wurzelgemüse, Meerrettich, Bouillon

Die Bouillon ist aus einem braunen Kalbsfond gezogen und bedient die klassische französische Küche. Farbe und Geschmack überzeugen durch Tiefe und Feinheit. Ein paar knackfrische Scheiben von der Frühlingszwiebel sorgen für einen gelungenen Kontrast. Dazu gibt es – quasi als sensorische Überraschung – den Meerrettich als Eiscreme. Diese spielerische Annäherung an das Sujet macht Spaß, der Mundraum hat etwas zu tun, Langeweile ist für diese Küche ein Fremdwort,  die richtige Einstellung für  große Sterne-Küche.

Sven Hemman, Kesselhaus, Taube, Rotkraut

Rotkraut, Taube

 

Rotkohl, Taube, Kastanie, Birne

Der zweite Gang zitiert vielleicht den ausklingenden Winter, die Ausführung ist hochmodern. Der Rotkohl-Jus ist karamellisiert und mit Geflügelfond abgelöscht. Seine delikate Süße bildet den Aromateppich für die rosa gebratene Taube. Umrahmt wird das Gericht von einem Kastanien-Mousse und einer leicht confierten Birne. Mit dem Rotkohl zieht die Küche ein bodenständiges Register, legt aber gleichzeitig fein gestimmte, helle Akkorde darüber. Eine homogene, fast klassische Zubereitung wird durch die fantasievolle Umsetzung abwechslungsreich und interessant. Die dunklen Aromen der Kastanie schmiegen sich an das feine Geflügel, insgesamt hat die Komposition einen leicht geheimnisvollen Touch, mir gefällt das.

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Aal, Meeretich

Aal, Meerrettich

 

Aal, Kohlrabi, Apfel, Liebstöckel

Der Reigen der Fisch-Gerichte wird mit dem Aal eröffnet. Sehr gut ist die Wahl des Liebstöckels der den Fisch in Form einer Emulsion begleitet. Düfte von Moschus, Anis, Zitrone und Hefe sind charakteristisch für dieses Kraut, das in dieser Form einen kräftigen und facettenreichen Counterpart zum gegrillten Aal bildet. Hauchdünne Apfelscheiben, ein feines Kohlrabi-Mousse und etwas Forellen-Kaviar sind keine Dekoration sondern vielmehr mit Bedacht, Raffinesse und Esprit platzierte Mikro-Elemente. Sehr gut.

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Wolfsbarsch

Wolfsbarsch, Chorizo, Olive, Paprika

 

Wolfsbarsch, Chorizo, Olive, Paprika

Der Loup ist à point leicht cross gebraten, eine klassische Basis. Modern ist die Verbindung mit der pikanten Pepperonata, mit Piment d’Espelette gewürzt.

Die Olive wird als Schwamm serviert, der charakteristische Geschmack wird abgemildert und integriert sich in das kulinarische Konstrukt. Hemmann pfeift auf Konventionen, viel mehr lotet er die Möglichkeiten aus die sich heute bieten. Dazu gibt es eine Scheibe kurz sautierten Chorizo, der den insgesamt würzigen Eindruck des Gerichts betont.

Sven Hemman, Kesselhaus, Papada Iberica

Papada Iberica de Bellota

 

Papada Iberica de Bellota, Kartoffel, Perigord Trüffel, Spinat

Für mich ein exquisites Highlight, Tapas-Küche auf höchstem Niveau! Das cremige Spinat-Bett wird von einem fast flüssigen Eigelb und einem hauchdünnen Teig bedeckt. Der spanische Speck ist al Dente gebraten, flankiert wird er von quadratischen Mini-Pommes-Frites. Aromatisch gekrönt wird das Ganze vom Perigord Trüffel, der mit seinem Aroma diesen sensorischen Vulkan parfümiert. Mundkino par Excellence.

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Entremet

Sven Hemman, Kesselhaus, Entremet

 

Entremet

Granatapfel-Sorbet, Ginger Ale, Rosa Pfeffer
Ein erfrischendes kleines Zwischengericht, damit es mit neuer Kraft weiter gehen darf.

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Lammkrone

Sven Hemman, Kesselhaus, Lammkrone

 

Lammkrone, Kichererbse, Zucchini, Tamarinde

Opulent, scharf, Highclass-Balkan! Überraschend ist das Lamm-Bries. Der Teller ist wie gemalt, Striche, Tropfen und Spuren  einer feuerroten Emulsion mit Aivar-Zitaten auf dunklem Porzellan. Die Lammkrone ist von allerbester Qualität, kleine Ziegenkäse Portionen sind für starke Kontraste verantwortlich. Viele Mikro-Elemente fügen sich zu Aroma-Kaskaden und verschaffen uns neue Geschmackserlebnisse, ein Tutti in Forte fortissimo. Das ist mutig, brutal, brachial, einfach geil. Sven Hemmann lebt seine Emotionen in der Küche, das kulinarische Establishment ist ihm fremd, seine Interpretation zählt, der Moment gewinnt,  sein Können gibt ihm die nötige Sicherheit um diese Ideen in die Tat umzusetzen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass genau solche Gerichte letztendlich den Weg für den Stern geebnet haben, ein solcher Mut muss belohnt werden. Tamarinde und Lamm fügen sich hier übrigens zu einer starken Kombination, das ist Food-Pairing at it’s best, es verlangt aber auch dem Gast einiges ab. Der ideale Augenblick um sich fallen zu lassen und die fantastische Inszenierung zu genießen.

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Handkaes

Sven Hemman, Kesselhaus, Handkaes

 

Handkäse mit Musik, Zwiebel, Weißer Balsamico, Kümmel

Die Optimierung eines bekannten Geschmacksbildes. Die Küche bedient sich molekularer Techniken. Das Gericht hat etwas illusionistisches, es spielt mit unseren Vorstellungen aus dem Unterbewusstsein, auf gewisse Weise ist das surreal. Mir fällt auf, dass Hemmann auch eine große Portion Humor mitbringt. Immer wieder darf der Gast über Pointen schmunzeln, vielleicht über einen kleinen Balsamico-Cube oder die kross-knackige Textur,  die völlig unerwartete Nuancen auf der Zunge hinterlässt.
So auch hier, der Balsamico wird als Emulsion in einer blanchierten Zwiebelhälfte serviert, ein gute Idee!

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Dessert

Sven Hemman, Kesselhaus, Dessert

 

Sven Hemman, Kesselhaus, Piemonteser Haselnuss

Sven Hemman, Kesselhaus, Piemonteser Haselnuss

 

Desserts

Schokoladentörtchen, White Russian und ein sehr gutes Mango Parfait. Ohne den Pacojet sind solche Kompositionen,  die die Tonleiter der Texturen erweitern, einfach nicht mehr denkbar.  Dass man das Metier beherrscht wird vorausgesetzt, ein cremiger Cocktail als Aroma-Vehikel ist nicht neu, zeigt sich aber mit der sahnigen Note gefügig und bildet mit der erfrischenden Kälte ein sehr gutes Dessert.

Die Haselnuss aus Piemont darf noch einmal mit feinem Aroma glänzen, kurz geröstet entfaltet sie einen herrlichen Geschmack. Flankiert wird sie von einem süßen Cannelloni und etwas Bauernmilch.

 

Ein sehr guter Koch, ein sehr gutes Restaurant, ein sehr guter Service!
Die Verbindung zwischen Klassik und Moderne gelingt, die Qualität der Produkte ist höchstes Niveau.
Hemmann ist ein unkonventioneller Koch, es gelingt ihm, die Bilder aus der Küche auf den Gast zu übertragen.
Nicht zuletzt wird ein Aufwand betrieben, der einer Sterne-Küche würdig ist.

Eine absolute Grandgourmand Empfehlung!

 

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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