Wer kennt sie nicht, die wunderbar saftigen, in Fett ausgebackenen, mit Marmelade gefüllten Krapfen, die es zur Faschingszeit gibt.

In Bayern und Tirol nennt man sie Faschingskrapfen, in Hessen isst man Kräppel, in Thüringen und Sachsen spricht man von „Pfannkuchen“.
Die Unterschiede sind groß. Kulturhistorisch lässt sich das Gebäck bereits im 9. Jahrhundert verorten.

So schreibt das Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft Österreich unter der Registernummer 167:

Bereits im 9. Jahrhundert war in Wien ein Gebäck mit dem Namen „krapfo“ bekannt.
In den Städten, vor allem auch in Wien, wurden runde, kugelförmige Krapfen bereits im Mittelalter gewerbsmäßig in öffentlichen Schmalzkochereien hergestellt.

Und weiter:

Um den Krapfen ranken sich viele Geschichten und Mythen. In welcher Zeit und von welchem Volk dieses Fettgebäck erstmals gebacken wurde, ist nicht eindeutig nachweisbar.

Bereits die alten Ägypter bereiteten im Fett schwimmende Gebäcke zu, deren Formen auf Fruchtbarkeitssymbole zurückgingen. Eine Darstellung aus der Zeit von Pharao Ramses III. (etwa 1200 vor Christus) zeigt zwei Personen, die mit Hilfe stabförmiger Werkzeuge in einer Pfanne über offenem Feuer ein schneckenförmiges Fettgebäck zubereiten.
In einem alten ägyptischen Grab hat man krapfenähnliche kleine Kuchen entdeckt.

Vermutlich geht der heutige Krapfen auf die Römer zurück.
Diese kannten bereits ein spezielles Fettgebäck mit dem Namen „globuli“ (Kügelchen). Marcus Porcius Cato der Ältere (gestorben 149 vor Christus) beschreibt dessen Herstellung in seinem Buch über die Landwirtschaft (De agri cultura, ca. 150 vor Christus) folgendermaßen: „Man mische geronnene Milch mit Speltmehl und mache daraus so viele Kügelchen wie es angeht. Dann tue Fett in einen heißen Kessel, koche darin die globuli und wende sie mit zwei Kochlöffeln fleißig um; wenn sie fertig sind, nimm sie heraus und bestreiche sie mit Honig und streue Mohn darauf.“
Bei den Frühlings-Bacchanalien (= Feste zu Ehren des römischen Gottes Bacchus) wurden sogenannten „placenta bacchiae“ (runder Hohlkegel- mit Sulze gefüllt) in großen Mengen geopfert und aller Wahrscheinlichkeit auch gegessen.

Den ganzen Artikel können Sie hier lesen:
Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft Österreich

Wie dem auch sei, sicher ist, dass es große Qualitätsunterschiede gibt. Geschmacklich unterscheiden sich industriell gefertigte Berliner, erhältlich im Discounter oder im Supermarkt zu den traditionell-handwerklich gefertigten Produkten wie das bekannte Kinderliedchen Hänschen klein zu Beethovens 9. Sinfonie.

In der folgenden Degustationsreihe werden die Berliner verschiedenster Karlsruher Bäckereien möglichst objektiv beurteilt und benotet. Der Autor erhebt aber keinesfalls einen Anspruch auf die letzte geschmacklich Wahrheit.
Jeder soll bitte selbst mal reinschmecken und sich ein eigenes Bild machen!

Die Degustationstechnik ist die gleiche, die ich auch für Michelin-Küche und Fine Dining anwende.
Zum einen empfiehlt sich die Lektüre der Ästhetischen Theorie von Theodor W. Adorno, dort geht es unter anderem um die ästhetischen Grundkategorien des Schönen und des Erhabenen. Zum anderen gibt es Techniken, die in der kulinarischen Kritik Anwendung finden.

Sensorik und Geschmackskurven

Die Aufteilung dessen was wir schmecken in Süß, Sauer. Bitter, Salzig und Umami ist kein Spiegelbild einer objektiven geschmacklichen Wahrnehmung da die Begriffe zu eindimensional sind. 
Es gibt wesentlich mehr Informationen zu verarbeiten, als jene die direkt an unsere Geschmacksknospen gekoppelt sind.
Texturen spielen eine wichtige Rolle also zum Beispiel weich, hart, kross, schmelzend. 
Die Zusammenhänge zwischen den Faktoren Temperatur, Aroma und Textur bilden dann das komplexe „Geschmacksgemälde“ ab.

Aus diesen Beobachtungen kann man Geschmackskurven entwickeln, jedes Produkt hat eine spezifische Geschmackskurve, in verschiedene Phasen unterteilt und mit (englischen) Fachbegriffen beschrieben: Attack, Plateau, Decay und Sustain.

Ich empfehle hier die Lektüre von Jürgen Dollases Himmel und Erde, dort werden die hier rudimentär angerissenen Techniken der Degustation ausführlich beleuchtet.

Degustationen

Den Anfang macht die Bäckerei Lörz, die im Jahr 1932 von Georg & Elisabeth Lörz gegründet wurde.

In mittlerweile vierter Generation ist der Betrieb zukünftig durch die Großenkelin des Firmengründers, Johanna sowie ihrem Lebensgefährten Jens gesichert.
Heute sind 65 Mitarbeiter beim „Bäcker Lörz“ beschäftigt, die Ihnen täglich den Tag mit frischen Backwaren, Kuchen, Torten, Marmeladen, Nudeln, … versüßen. (Auszug aus der Website).

Degustiert wurde der glasierte Berliner, eingekauft um 14:40 Uhr bei Lörz Yorckstraße.
Angeliefert werden die Krapfen um 09:00 Uhr. Der Zeitunterschied hat sich nur dadurch bemerkbar gemacht, dass der Teig ein klein wenig mehr Konsistenz hatte (ich habe zum Vergleich schon kürzlich einen Berliner in der gleichen Filiale kurz nach Anlieferung gekauft und verspeist).

Von Attack (siehe oben) kann man beim Lörzschen Krapfen nicht sprechen. Das Gebäck schmeichelt sich charmant ein und schließt sofort Freundschaft mit deinem Gaumen.
Die von Hand aufgebrachte, helle Glasur wirkt einladend.
Der Biss ist leicht und das Gebilde wirkt fluffig. Die Glasur erzeugt im Plateau einen ganz leichten, sanften Crunch.
Die rote Marmelade setzt hübsche Säureakzente und wirkt in der Nase ein wenig fleural.
Auch in der Dosierung hat man hier die goldene Mitte getroffen.
Die Konfitüre ergießt sich nicht einfach, wie bei einigen Konkurrenz-Berlinern über das frische Business-Hemd, das noch für das nächste Meeting gebraucht wird, sondern passt sich perfekt in Masse und Menge an den Gaumen an.

Decay ist cremig. Hier zeigt sich, wie wertvoll ein gutes Ausback-Fett ist, wer daran spart, verliert. Gerade im Abgang entfaltet das Gebäck seine ganze Power. Ein schlechtes Produkt würde hier das Zusammenspiel der feinen Aromen stören. Chapeau schon mal dazu.

Schließlich ein unaufdringliches Sustain. Sanft spielen die schwindenden Zutaten hier noch einmal ein kleines Menuett für uns. Oder ist das nur der Cliffhanger für den nächsten Krapfen?

Grandgourmand Note:
8 von 10 (10 gibt der Kritiker nicht und auch die 9 kommt selten vor, würde fast schon 2 Michelin-Sternen gleichkommen)

La Minzbrueck

Auch im Elsass werden Berliner gebacken. Ausgesprochen wird das Gebäck dort natürlich ganz anders, man sagt dort Bärlinaire :-).
Erhältlich sind sie in Karlsruhe auf dem Wochenmarkt bei La Minzbrueck. Schon seit vielen Jahren versorgt die Boulangerie Marktbesucher mit Eclairs, Torten, Baguettes und… Berlinern! Deswegen werden sie hier auch degustiert!

Minzbrueck punktet mit einem sanften Biss, entfernt erinnert die Textur dabei an einen Windbeutel.
Im Gaumen erleben wir ein relativ komplexes Mundgefühl. Der Zuckergehalt ist ausbalanciert.
Die Konfitüre hält sich zurück, eher Backgroundsänger als Koloratursopran.
Das Zusammenspiel von Konfitüre und Teig erzeugt eine sehr gelungene Komposition.
Beim Decay spielt uns die Leckerei einen schönen Film vor – Gehen auf Federn – der Nachhall ist mundfüllend aber leicht.

Ein wirklich guter Berliner.
Bewertung: 8 von 10 Konfitüre könnte etwas brillanter sein. Ansonsten sehr gut. 

Bäckerei Meier

Seit 1951 gibt es bei der Bäckerei Meier leckeres Brot und anderes Gebäck. Alle Mehle und Schrote bestehen aus dem Kraichgaukorn®.

Auf ihrer Website schreibt die Bäckerei:

Schon beim Einkauf der Rohstoffe, achten wir auf Qualität und Herkunft. Unser Mehl beziehen wir ausschließlich von der „Störrmühle“ aus Knittlingen im Pfinztal. Wir vertrauen unserem Müller Klaus Dobler, der das Korn von Bauern aus der Region bezieht und keine Zusatzstoffe beimengt!

Ich finde, das schmeckt man. Eine ausgezeichnete Adresse in Karlsruhe.

Hier nun die Degustation:

Der Meier-Berliner punktet mit einem charakteristischen, festen Biss. Ein äußerst selbstbewusster Berliner. Der Puderzucker ist ein klein wenig crunchig. Meiner Meinung nach ist das auch die Intention des Bäckers. Die Textur wirkt dadurch ungemein spannend.

Vielleicht der erste Berliner in der Degustationsreihe, bei dem man von einem echten Attack sprechen kann.

Der Zuckergehalt ist nichts für Weicheier, geht ordentlich ab.

Spannend wird es, wenn auf dem Plateau die fast pinkfarbene, sehr aromatische Konfitüre auf einmal explodiert und sich wie flüssige Lava in den Mundraum ergießt.

Die Füllung ist reichlich vorhanden, es empfiehlt sich eine Serviette. Die Sauerei macht aber Spaß!

Herrlich. Decay und Sustain sind nachhaltig, der Berliner hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Bewertung:

8 von 10 mit Tendenz zu 9.

Katz der bäcker

Dieser Berliner wurde in die Auswahl genommen, obwohl Katz sein Stammhaus nicht in Karlsruhe sondern in schwäbischen Asperg hat. Die Filiale am Europaplatz ist aber gut besucht.
Während der Nazizeit waren Vater Gottlieb und Sohn Kurt in Gefangenschaft.
Heute ist der Stammsitz in Vaihingen an der Enz, Katz der bäcker ist mit über 40 Filialen landesweit vertreten.

Auszug aus der Website:

Bei KATZ der bäcker sind alle Backwaren nach handwerklicher Tradition selbst hergestellt.
Teige werden täglich frisch angesetzt. Unsere Rohstoffe, allen voran unser Mehl, beziehen wir schon immer aus der Region von heimischen Bauern und heimischen Müllern.

zur Website von Katz…

Degustation

Cremiger, mundfüllender Biss.
Sofort erkennt man die leichte Hefenote mit buttrigen Zitaten.

Das gefällt bedingt. Es fehlt die endgültige, äußerst wichtige fluffige Leichtigkeit.
Der Berliner ist eher kompakt.
Der Teig verweilt etwas zu lange im Mundraum. Das funktioniert weil das Ausbackfett gut ist und der Teig darüber hinaus Vanillespuren enthält, raffiniert!

Die Konfitüre dürfte etwas mehr Säure haben, aber vielleicht ist das ja das Konzept dieses Berliners.
Insgesamt unauffällig. Sehr gut passt hier ein leicht bitterer Kaffee, am besten ohne Milch. Dann entfaltet das Gebäck sein Aroma.
Letzteres ist aber nur ein Tipp und darf natürlich im Rahmen dieser Degustationsreihe nicht in die Bewertung einfließen.

Bewertung:

7 aus 10, dürfte ein klein wenig fluffiger sein. Kommt sensorisch und auch von der Textur nicht an die ausgezeichnete Brezel aus dem Sortiment heran.

Fasanenbrot Vollkornbäckerei

Die Fasanenbrot Vollkornbäckerei hat Verkaufsstellen in Stutensee-Blankenloch und in Karlsruhe-Durlach. Außerdem gibt es die Bio-Backwaren der Fasanenbäckerei auf dem Wochenmarkt, zum Beispiel auf dem Gutenbergplatz.

Die Fasanenbrot Vollkornbäckerei schreibt über sich:

Unsere Brote und Backwaren sind lebendige Produkte mit eigenem Charakter. Durch Rohstoffunterschiede – z. B. verursacht durch lange Regenperioden – und durch die handwerkliche Herstellung können Qualitätsschwankungen vorkommen. Wir nehmen dann Ihre Reklamation gerne entgegen und bieten Ersatz, denn wir möchten, dass Sie zufrieden sind.

Angeboten werden ausschließlich Bio-Backwaren, Herzstück des Sortiments sind die Sauerteigkulturen.

Degustation:

Ein Berliner, der mich in jeder Hinsicht überrascht. Er sieht ein wenig unscheinbar aus, ist gleichmäßig ausgebacken und hat eine schöne, leicht helle Bernsteinfarbe.

Beim ersten Biss scheint es sich um ein leidlich trockenes Gebäck zu handeln, der Zuckergehalt ist aber angenehm niedrig (jedenfalls geschmeckt).
Leichte Enttäuschung macht sich breit.

Auf einmal aber melden sich ganz sanft ein paar Zitronenakkorde im Gaumen. Das lässt aufhorchen. Eine schöne Überraschung.

Das Aha-Erlebnis passiert, wenn das Gehirn plötzlich und unerwartet die herrliche Konfitüre mit ausgeprägten Himbeer-Aromen registriert (Geschmack entsteht nämlich im Gehirn). Ein paar winzige Himbeerkerne sind auf der Zunge spürbar, was mich aber nicht stört, sondern im Gegenteil, das sensorische Erlebnis steigert.

Die Konsistenz der Marmelade ist ausgezeichnet, weder zu flüssig, noch zu fest! Das Zusammenspiel dieser Konfitüre mit dem Teig gelingt nahezu perfekt.

Spätestens hier will man einfach weiter essen.
Der anfangs quasi langweilige Berliner entpuppt sich am Ende als tolle Spaßmaschine!

8/10 mit Tendenz zu 9

Pfälzer Brotbuwe

Wir schreiben das Jahr 2019.
Alles begann mit zwei Freunden und der Idee, am Wochenende warme Schmalzbrote auf dem Weihnachtsmarkt zu verkaufen.
Was anfangs als Spaß Projekt begann, entwickelte sich nach kurzer Zeit zu Leidenschaft und unserer heutigen beruflichen Hauptaufgabe.

so beschreiben sich die Pfälzer Brotbuwe auf ihrer Website…

Fasching ist schon lange vorbei, die Jagd auf den besten Berliner gestaltet sich schwierig. Nur selten ist das leckere Gebäck anzutreffen, es scheint sich – wie ein scheues Wildtier im Wald – vor den Augen des Jägers zu verbergen.
Heute auf dem Wochenmarkt am Gutenbergplatz habe ich endlich wieder einen vor die Flinte bekommen, bei den Pfälzer Brotbuwe, mit zittrigen Fingern zücke ich den Geldbeutel und verfrachte die süße Beute in die Einkaufstasche. Puh!

Die Brotbuwe bedienen verschiedene Karlsruher Wochenmärkte, deswegen werden sie hier genau wie eine original Karlsruher Bäckerei behandelt.
Die Qualität ist ausgezeichnet, oft kaufe ich dort einfach ein Parisienne, oder ein Maisbrot.

Ein Großteil unserer Brote wird mit einem uraltem selbst gezüchteten Natursauerteig hergestellt, der ohne chemische Zusätze seine Reife erhält und täglich über 20 Stunden ruht.

Bei den Roggenmischbroten verzichten die Buben auf den Weizenanteil und haben ihn komplett durch Dinkel ersetzt, das schmeckt man!

Degustation:

Der Berliner geht ein wenig in die Breite, was ihm zu einem imposanten Bühnenauftritt verhilft. Ober- und Unterseite sind zu einem hellen Bernstein ausgebacken. Der Rand ist cremefarbig.
Der Puderzucker ist staubfein.

Der erste Biss ist zuckrig-saftig-fluffig. Sehr substanziell. Alles ist ausgewogen.
Die Konfitüre passt mit ihrer dichten Textur perfekt zum Gebäck. Aroma nach roten Beeren, vielleicht sogar ein klein wenig Kirsche. Konsistenz business-geeignet.
Insgesamt ein Produkt mit großer Dichte.
Sehr gute Teigstruktur.
Im Decay stellen wir dann fest, dass dieser Berliner was drauf hat. Einer reicht mir völlig aus.

Bewertung:

8 aus 9 mit Tendenz zu 9. Ein toller Berliner!



über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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