MG: Lesen Sie Kritiken?
CB: Natürlich lese ich Kritiken. Als junger Küchenchef gehen einem schlechte Kritiken sehr nahe, man hat schlaflose Nächte, man reagiert sehr emotional darauf.
Heute weiß man das besser einzuschätzen, ich kenne alle Seiten des Betriebes, man kennt seine Stärken und seine Schwächen.
Man denkt über Kritiken nach, seien sie positiv oder negativ.
Mit Lobhudeleien kann ich nichts anfangen, ich muss auch nicht zum fünfzigsten Mal lesen,
dass es bei mir den frischesten und besten Thunfisch gibt.
Das hat nichts mit Abgehobenheit zu tun, sondern mit Gelassenheit und Lebenserfahrung.
Man muss wissen, wie man sich einzuschätzen hat, wo man sich positioniert. Man kennt die Mitarbeiter und weiß auch sie richtig einzuschätzen. Kritik muss wahrgenommen und ernst genommen werden.
Kürzlich beschwert sich ein Gast über etwas. Im ersten Augenblick habe ich das abgelehnt.
Nachdem ich eine Nacht darüber schlief, habe ich den Gast angerufen und ihm gesagt, dass sich seine Wahrnehmung mit meiner eigenen deckt, man muss sich so etwas dann auch eingestehen. Im Prinzip war diese Kritik eine Hilfe. Um das zu erkennen, braucht es Selbstreflexion. Man darf nicht denken, dass man alles richtig macht.
MG: Nur Wenige beherrschen die Kunst, eine Sauce von technischer und aromatischer Perfektion zu kochen, darunter leidet die Individualität, vieles wird standardisiert, kommt aus der Tüte oder aus dem Tiefkühlfach.
Sie hatten das Privileg unter anderem in der „Talmühle“ von Gutbert Fallert lernen zu dürfen, dort versteht man es, ausgezeichnete Saucen nach Escoffier oder Carême zuzubereiten.
Glauben Sie, dass man die „Kunst der Sauce“ verlernt hat, zum einen wegen der Zeitnot, zum anderen weil es nur noch wenige Meister gibt, die das Wissen darüber weitergeben?
CB: Wir arbeiten in einer „Köche-Community“ wo alles sehr offen gehandhabt wird. Die Kollegen behalten die Geheimnisse nur selten für sich, in den Büchern kann man alles nachlesen, meine Mitarbeiter wissen genau, wie ich die Gänge zubereite.
Man muss aber sagen, dass die junge Generation das Handwerk anders erlernt hat, als ich seinerzeit. Die Spirale geht nach unten, es ist weder Zeit noch Personal da. Manche Betriebe haben die wirtschaftliche Seite nicht ganz im Griff, dann wird rationalisiert, man greift auf Convenience zurück, oder vereinfacht das Kochen zu sehr.
Ich genieße das Privileg in einem Betrieb zu arbeiten, der mir diese ganzen Ressourcen zur Verfügung stellt, unter anderem neun ausgelernte Köche.
Natürlich lege ich großes Augenmerk auf die Zubereitung der Saucen, auf hervorragende Produkte, ich kann mir das hier aber auch leisten.
Wir kaufen für das Restaurant ganze Tiere, ganze Perlhühner, ganze Fische etc., es wird alles verwendet, Karkassen, Innereien, Keulen, einfach alles. Dazu muss man das Handwerk erlernt haben, ich gebe das gerne weiter. Viele andere haben die Möglichkeit leider nicht, weil es dort zu wenig Personal gibt, manchmal fehlt der betriebswirtschaftliche Background.