Osteria, Callwey

Osteria

Die Druckerschwärze ist kaum trocken, schon liegt mir die neueste kulinarische Publikation aus dem Hause Callwey vor: Osteria – 1000 geniale und einfache Rezepte aus den besten Lokalen Italiens.
Bereits 2011 erschien die italienische Originalausgabe unter dem Titel Le ricette di Osterie d’Italia, das Buch wurde in kürzester Zeit zum Bestseller und gehörte – neben Sonnenbrille und Badehose – zur Grundausstattung des Italienreisenden.

Autor ist die Slow Food Editore, der Verlag der italienischen Slow Food Bewegung, der die authentische, regionale Küche Italiens bewahrt und genussvolles Essen wieder in den Mittelpunkt stellt, so steht es auf den Internet-Seiten von Callwey.

Auf knapp 500 Seiten führt uns Osteria durch die authentische, traditionelle Küche Italiens: Gutes Olivenöl, ausgezeichnete Pasta, Käse aus der Region, Fisch ganz frisch von der Küste und süße, von der Sonne gereifte Tomaten, daraus besteht der perfekte Osteria-Teller!

In ihrem Vorwort schreibt Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende Slow Food Deutschland e.V.:

Die Besinnung auf lokale kulinarische Traditionen kann die Bewahrung unzähliger Arten, Pflanzen, Nutztierrassen sowie auch das Erfahrungswissen einer Landwirtschaft fördern und stärken, die nicht auf gewinnmaximierende Ausbeutung von Boden, Natur, Tier und Pflanze ausgerichtet ist.

Das Prinzip ist so aktuell wie nie zuvor. Mit Slow Food stellen wir uns bewusst gegen Massentierhaltung und Turbo-Agronomie, wir pflegen den respektvollen Umgang mit den Ressourcen.

Die Kapitel unterteilen sich in:

  • Antipasti
  • Primi Piatti
  • Secondi Piatti
  • Saucen und Beilagen
  • Dolci

Bei den Primi Piatti handelt es sich natürlich größtenteils um Pasta-Gerichte oder Risottos in allen Farben, Aromen und regionalen Ausprägungen.
Der Leser findet in diesem Kapitel so ausgefallene Rezepte, wie zum Beispiel die Vermicelli Cu’ ’O Pesce Fujuto von Antonio Rizzo aus Neapel. Geflohener Fisch deutet an, dass dieses Rezept wie ein Fischgericht schmecken soll, obwohl kein Fisch enthalten ist. Ein typischer Kniff aus der einfachen Küche, man erzeugt mit kleinem Geld eine kulinarische Illusion. Rizzo verwendet Tomaten aus Piennolo, die im Schatten des Vesuv wachsen und den Geschmack von Jod und Salz aus der Meeresluft und dem nahrhaften Vulkanboden aufnehmen, sie entwickeln ein ganz besonders intensives Aroma. Die Tomatenrispen werden ganz langsam getrocknet und hängen oft in den Torbögen der Häuser.

Besonders erfrischend und aromatisch stelle ich mir das Risotto con Saltarelli (Risotto mit Süßwassergarnelen und Zitrone, Bianca Remelli, Goito, Mantua, Lombardei) vor. Zum Einsatz kommt der Riso di Vialone Nano. Die kleinen Süßwassergarnelen werden im Olivenöl knusprig frittiert. Das Risotto wird dann wie üblich mit Fisch- oder Gemüsebrühe angegossen. In einer lokalen Variante werden Wasserkastanien zusammen mit einer Zwiebel angebraten, mit einer Gabel zerdrückt und zum fertigen Risotto gegeben.

Häufig gibt es Tipps zur Zubereitung oder zu den Zutaten, immer wieder werden unterhaltsame Geschichten rund um ein bestimmtes Rezept eingestreut.

Auf Seite 271 wird bei der Polenta di Patate con Peclin  (Kartoffel-Polenta mit geräuchertem Hering, Nereo Pederzolli, Stravino di Cavedine) erzählt, dass früher gesalzene und geräucherte Heringe von der Küchendecke herabhingen. Die Familie versammelte sich dort, man konnte die Polentascheiben über den Fisch reiben und machte so aus einem einfachen Gericht aus Maismehl etwas sehr Herzhaftes. Ich unterbreche kurz die Lektüre und zeichne gedanklich eine olfaktorische Skizze des Hauses, eine Herausforderung! 

Ein delikater Klassiker ist die Parmigiana di Melanzane (Osteria Nunzia, Benevento, Kampagnien). Anders als in Neapel werden die Auberginen in Mehl und Ei gewendet, das Gericht ist so reichhaltig und köstlich, dass es als komplette Mahlzeit serviert werden kann. Die schmackhaften Auberginenscheiben werden Im heißem Öl ausgebacken und mit Parmiggiano Reggiano serviert, wunderbar!

Auch für größere Gesellschaften finden sich Rezepte, das Porcetto Arrosto (Secondi Piatti, Geröstetes Spanferkel, Agriturismo Muzzu, Sassari, Sardinien) reicht für 20 Personen. Sie sollten allerdings über einen Holzofen verfügen und das Fleisch darin 2 Stunden braten. Dann aus dem Ofen nehmen leicht salzen und mit ein paar Myrtenblättern servieren. Das Rezept ist von den sardischen Schäfern überliefert.

Für die Liebhaber der leichten Küche empfehle ich unter anderem den Orangensalat mit Oregano (Osteria U Locale, Buccheri/Syrakus, Sizilien). Die Brüder Sebastiano und Giuseppe Formica servieren diesen Salat am liebsten mit einer regionalen Blutorangensorte und frisch gehackten Oreganoblättern.

Ganz einfach gehen auch die Pomodori Arrosto (Geröstete Tomaten mit wildem Fenchel, Paolo Braccioni, Urbania, Pesaro und Urbino, Marken).
Auf 180°C vorheizen, den Knoblauch und das Fenchelgrün hacken, mit Semmelbrösel und Öl vermischen, mit Salz würzen, ab in den Ofen.

Was wäre ein Kochbuch über die italienische Küche ohne ein Kapitel über die Dolci? Ab Seite 423 geht es mit den Mousses, den Puddings und den Desserts zum Löffeln los. Dort findet man Klassiker, wie die berühmte Panna Cotta, aber auch ausgefallene Desserts wie zum Beispiel den Cuccia Dolce di Santa Lucia (Süßer Ricotta mit Weizenkörnern, Pasticceria Artale, Syrakus, Sizilien).


Dieses Dessert wird zu jedem Fest zubereitet, das der Heiligen Lucia gewidmet ist. Laut einer Legende herrschte in Syrakus eine schreckliche Hungersnot. Wie aus dem Nichts erschienen Schiffe im Hafen und brachten eine Ladung Weizen in die Stadt. Die Einwohner von Syrakus waren derart ausgehungert, dass sie das Getreide nicht mehr mahlen konnten, sondern es nur auskochten. Man vermutete Santa Lucia hinter diesem Wunder und widmete ihr dieses Gericht.
Es muss aber in der Stadt noch einen, mit Schafsricotta gut gefüllten Keller gegeben haben, neben kandierten Orangenschalen und Schokoladentröpfchen eine Hauptzutat des Desserts.

Register

Wie „La Cucina“ glänzt auch „Osteria“ mit einem ausgezeichneten Register. Beginnend auf Seite 488 werden die Rezepte nach Region und Gang gelistet. Schnell können Sie einen „Kulinarischen Reiseplan“ zeichnen, ein Beispiel für einen Gourmet-Ausflug im Piemont könnte so aussehen:

Wir starten mit Cinghiale al Civet im Ristorante Il Sentiero dei Franchi in Sant’Antonio di Susa, ganz einfach um ein echtes Piemonteser Wildschwein zu genießen. Das Fleisch wird im ausgezeichneten Barbera d’Alba geschmort. In der Locanda dell’Arco in Cissone probieren wir das „Risotto al Barolo“, wunderbares Aroma von Salbei und Barolo. Den süßen Abschluss gibt es dann im
Livia Borgata (Montegrosso d’Asti) mit einem „Montebianco“, das ist eine Kastanien-Schokoladen-Creme mit geschlagener Sahne. Wie Sie dann die Kalorien verbrennen ist Ihre Sache!

Es folgt auf Seite 494 das Register der Rezepte, Sie sollten sich auf jeden Fall beim Schmökern die deutschen Namen merken, es gibt verständlicherweise kein Register mit den italienischen Namen der Rezepte.

Zu guter Letzt gibt es ab Seite 504 ein Register der Osterien, sehr praktisch, wenn Sie sich vor Ort befinden und die genaue Adresse der angesteuerten Restauration suchen.

Osteria lässt sich mit großem Vergnügen lesen! Die vielen Geschichten und Details rund um die traditionelle italienische Küche sind unterhaltsam und wissenswert. Besonderen Spaß bereitet es, im Buch ein Rezept zu lesen und im Internet das zugehörige Lokal suchen. Unwillkürlich plant der Leser im Geiste seine ganz eigene, genussvolle Reiseroute!

 

Hier mein Rezept-Tipp aus dem Buch:

Strangulaprievete Verdi

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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