Mathias Guthmann im Interview mit Gaia Gaja, Foto: Tom Mettendorf
Mathias Guthmann im Interview mit Gaia Gaja, Foto: Tom Mettendorf
Gaia Gaja ist eine der beiden Töchter des charismatischen Winzers Angelo Gaja, der in den 60er und 70er Jahren die italienische Weinlandschaft revolutionierte, sie ist  die Botschafterin ihres Weinguts. Rastlos reist sie um die Welt um ihre Weine aus dem  Piemont erfolgreich zu vermarkten. Gaia Gaja ist eine profunde Kennerin der Materie, ihre Liebe zum Wein zeigt sich unmittelbar in den Produkten aus dem Weingut. Anlässlich der véritable 17, organisiert vom unermüdlichen Uwe Warnecke, dem es stets gelingt wichtige Persönlichkeiten aus der Weinwelt in das beschauliche St. Martin in der Pfalz zu locken, hatte ich die Möglichkeit ein Interview mit der bekannten Winzerin zu führen.

GG: Gaia, man kennt mich für  musikalische Ausführungen über Wein und Kulinarik , diese Methode eignet sich wunderbar um einen Wein mit den treffenden Worten zu beschreiben. Bei mir heißt es zum Beispiel über den «Brillecart-Salmon, Blanc de Blancs Grand Cru»: „Kommt durch die Nase wie ein Wiener Walzer, leichtfüßig, charmant, im Schlepptau frische Mandeln, Trockenfrüchte und Nüsse.“

Darf ich Ihren «Barbaresco DOCG 2013» mit der Ouvertüre zu Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ vergleichen? Ihr Wein ist so perfekt, diese durchscheinenden Farben, die harmonische Frucht, die Eleganz. Er erinnert mich einfach an diese klassische und subtile Komposition des italienischen Meisters.
Aber vielleicht haben Sie ja ihre ganz eigene Musik im Kopf wenn Sie im Weinberg oder im Keller arbeiten?

Gaia: Eine wundervolle Einleitung, leider bin ich aber keine Musikspezialistin, deswegen ist das für mich nicht so einfach. Der 2013er Barbaresco ist ein Wein voller Freude, er steckt voller Energie, hat eine große Ausstrahlung, viele Aromen, ein sehr delikater Wein. Ja, ein guter Vergleich!

Musik und Wein, wie passt das zusammen,  wo liegen die Gemeinsamkeiten? Mir fällt der Rhythmus der Jahreszeiten ein, Jahr für Jahr die gleiche Arbeit im Weinberg, ein sich ständig wiederholender Kreislauf. Außerdem hat der Wein selbst einen Rhythmus und eine Balance, damit verbinden sich Musik und Wein. Eine große Analogie!

GG: Gaia, Ihr Vater ist einer der bekanntesten Winzer Italiens, auch international genießt er hohes Ansehen. Wie wurden Sie an die Prozesse der Weinerzeugung herangeführt, war das ein ganz natürlicher Vorgang, oder dürfen wir da von einer Lehrer-Schüler-Beziehung sprechen?

Gaia: Das hat sehr lange gedauert, ich habe mich Schritt für Schritt ganz langsam herangearbeitet. Man muss sich seinen Respekt verdienen, man bekommt ihn nicht einfach geschenkt weil man die Tochter seines Vaters ist. Man muss von seinem Team geliebt werden, wenn das gelingt,  dann fügt sich das eine in das andere, das braucht seine Zeit.
Zuerst habe ich etwas für jemanden getan, weil ich ihn liebe, weil ich die Familie mag. Stück für Stück wurde dann mein eigenes Projekt daraus.

GG: Wir alle wissen, dass sich die Persönlichkeit des Winzers in seinem Wein ausdrückt. Gibt es einen besonderen Jahrgang, der in Ihren Augen Ihre eigenen Ideen und Träume repräsentiert?

Gaia: Ich bin natürlich nicht die einzige im Keller oder im Weinberg, wir sind ein Familienunternehmen, man kann nicht alles alleine machen. 2013 änderten sich die Dinge, meine Schwester und ich übernahmen mehr Verantwortung, wir haben Entscheidungen getroffen.
Wenn man hinter den Entscheidungen einer Firma steht, verdichten sich alle Handlungen zu einem Selbstporträt, genauso verhält es sich mit dem Wein. Das Jahr 2013 spiegelt das sehr gut.

GG: Ich persönlich liebe die großen Mosel-Rieslinge, haben Sie einen deutschen Lieblings-Wein?

Gaia: Ich kenne mich nicht besonders gut mit deutschen Weinen aus. Ich mag aber die Weine von Theresa Breuer und ich schätze sie auch als Person, außerdem liebe ich die Tropfen vom «Weingut Maximin Grünhaus». Deutsche Weine werden international unterschätzt, das liegt an den hiesigen Produzenten. Es gibt in Deutschland ja ganz hervorragende Weine die oft unglaublich alt werden können. Leider trinkt die Welt nicht so viele deutsche Weine wie sie es eigentlich sollte. Also, geht hinaus in Welt, findet lokale Importeure, lasst die Menschen wissen, wie gut eure Weine sind!

GG: Es gibt heute ein atemberaubendes Wissen über Weine mit vielen detaillierten Beschreibungen. Trotzdem steht die Arbeit eines Sommeliers erstaunlicherweise oft auf wackligen Beinen. Das liegt daran, dass die Kombination von Essen und Wein in einer geschmacklich schwierigen Situation stattfindet. Beschäftigen Sie sich mit diesen Momenten der geschmacklichen Wahrnehmung,  wenn wir versuchen,  Wein und Essen zu verbinden?

Gaia: Eine schwierige Frage, die Dinge haben sich geändert. Früher war es viel einfacher: Zu einem französischem  Essen gab es französischen Wein, zu einem deutschen Essen einen deutschen Wein, und zu einem Essen in Piemont wurde natürlich ein Piemonteser Wein gereicht. Heute kombinieren wir Weine mit einem japanischen oder einem chinesischen Essen. Wir müssen mehr auf die Texturen achten, ein Aspekt, der in der europäischen Kultur leider oft zu kurz kommt. Für uns geht es immer zunächst um den Geschmack, dabei ist doch die Textur das Spannende! Es geht längst nicht mehr nur darum,  zum Fisch einen Weißwein und zum Fleisch einen Rotwein zu servieren. Natürlich passt ein säurebetonter Wein immer noch sehr gut zu fetthaltigen oder sahnigen Speisen, aber auch zu einem Toro-Tuno Sashimi. Wir müssen sehr auf die Textur der Zutaten achten.

GG: Haben Sie neue Pläne für die Zukunft, gibt es interessante neue Projekte?

Gaia: Oh, da gibt es wundervolle Neuigkeiten. Im Frühjahr haben wir 20 Hektar Land am Ätna auf Sizilien erworben. Es liegt 800m ü.d.M, wir rechnen mit der Klimaveränderung. Das Anbaugebiet liegt zwar weit im Süden, durch die Höhe haben wir aber ein kühles Klima. Das Projekt ist auf 20 Jahre ausgelegt, wir versuchen es dort mit dem «Nerello Mascalese», er ähnelt ein wenig dem Nebbiolo, demnächst gibt es davon den ersten Jahrgang, es bleiben natürlich viele Fragezeichen. Meinem Vater tut das Projekt sehr gut, er erstrahlt in neuer Jugend, wir sind sehr gespannt.

Liebe Gaia, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für Ihre Projekte

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über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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