Pera
Wir machen uns auf den Weg zum Pera Museum. Das Pera Palace wurde 1882 als Luxushotel für jene Gäste eröffnet die mit dem Orient-Express anreisten. Eine Fin-de-Siècle-Villa, die die Jahrzehnte zwischen Bauwahn, Abriss und Planlosigkeit irgendwie überstanden hat. Es gab dort den zweiten, in Europa jemals eingebauten Aufzug, nur der Eiffelturm hatte schon vorher einen aufzuweisen.
Der Speisesaal war damals im Barockstil gehalten, daneben betrat man eine Lounge mit einer zarten Glaskuppel durch die das Abendlicht dunkelblau leuchtete, wenn sich die Herren zur Zigarre trafen.
Nach dem ersten Weltkrieg bevölkerte sich das Pera-Viertel mit Spionen, Soldaten, Huren, Schriftstellern, Reportern, Dieben, Mördern, Deserteuren und Flüchtlingen.
Auch Mustafa Kemal bezog im November 1918 ein Zimmer im Palace. Den Besatzungsmächten ging es prächtig, nicht wenige Vertreter hatten es im Krieg zu unermesslichen Reichtum gebracht, den sie in Istanbul in vollen Zügen genossen. Die Stadt erfand sich wieder einmal völlig neu.
Mustafa Kemal wusste, dass das Pera die Zentrale der alliierten Besatzungsmacht war. Dort nahm er Kontakt zu den Briten auf, um herauszufinden, in wieweit sie zu Zugeständnissen bereit waren.
Damals hatte er spätere Volksheld und Gründer der modernen Türkei noch kein Amt mit Macht oder Einfluss, es sollte aber nicht mehr lange dauern, bis seine nationalistische Bewegung die letzten Überreste des Osmanischen Reichs und der Alliierten Besetzung beseitigte.
Durch die Jahrzehnte hindurch blieben das Pera und die umliegenden Etablissements der Treffpunkt für die vergnügungssüchtige Istanbuler Gesellschaft, auch unter Mustafa Kemal Atatürk.
Nach dem 2.Weltkrieg hielt der Jazz Einzug in die quirlige Metropole. Und die europäische Klassik, internationale Ensembles gaben sich ein Stelldichein, in der Stadt selbst entstanden erste, ambitionierte Orchesterprojekte.
Im Pera stehen zwei Ausstellungen auf dem Programm.
- Intersecting Worlds: Ambassadors and Painters
- The Art of Weights and Measures
- Osman Hamdi Bey
Ich mag die alten Meister, den Impressionismus und zeitgenössische Malerei, ganz vorne auf meiner Lieblingsliste steht Gerhard Richter. In meiner Jugend habe ich mir ein schönes Zubrot als Führer durch das Kölner Museum Ludwig verdient.
Die Ausstellung mit Osmanischen Gemälden überzeugt mich nicht. Mit einer Ausnahme: Osman Hamdi Bey! Der älteste Sohn des Großwesirs Ibrahim Edhem Pascha studiert in Paris Jura, nebenbei entdeckt er sein Talent für Malerei und erhält Unterricht bei Jean-Léon Gérôme, Louis Boulanger und Fausto Zonaro, eine gute Schule!
Besondere Symbolkraft wird seinem Werk “Der Schildkrötenerzieher” zugeschrieben. Es entsteht im Jahre 1906, als sich das Osmanische Reich im Endstadium der Dekadenz befindet.
Nach Ansicht des Historikers Edhem Eldem wird das Bild in der heutigen Türkei je nach der politischen Parteinahme des Betrachters verschieden interpretiert: Der türkische Traditionalist sehe in ihm die Schönheit und Würde des Osmanischen Reichs. Den neuen Kemalisten andererseits zeige das Bild, dass die Schildkröten, sprich die Traditionalisten, in die Modernität gezwungen werden müssen, für sie sei das Bild eine „Ikone des Stillstands“. (Quelle: Wikipedia)
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