Koch des Jahres zieht alle Register und feiert sich selbst, das ist gut so! Wie immer ist das Event perfekt inszeniert. Kochfabrik in Achern ausverkauft.

Degustationsnotizen

von Mathias Guthmann

Sanft gegarter Bachsaibling / Champagner Vinaigrette / Roggenbrot / Spitzkohl
Boris Rommel, Schlosshotel Friedrichsruhe

Boris Rommel ist Küchenchef im Gourmet-Restaurant Le Cerf in Zweiflingen. Bereits im ersten Jahr wird er dort mit dem Michelin Stern ausgezeichnet, 2017 kommt der zweite Stern hinzu. Aus den Bausteinen Französische Küche & Regionalität formt der Badener sein eigenes kulinarisches Gebäude. Zweifelsohne hat der Koch seinen Stil gefunden.
Er verfügt über eine sehr gute Technik und ist äußerst geschmackssicher, für eine erfolgreiche Karriere in der Haute Cuisine gibt es keine besseren Voraussetzungen.

Der Bachsaibling ist von ausgezeichneter Qualität und à point gegart.
Ein Hauch von Salz verstärkt das Eigenaroma des edlen Fisches. Die Champagner-Vinaigrette ist fein austariert und fügt sich harmonisch in die aromatische Landschaft.
Der Spitzkohl wird – leicht mariniert – als Brunoise gereicht.
Für sensorische Zwischenrufe sorgt Roggenbrot in Form eines Chips. Sehr schön!

Raviolone Tricolore
Ricotta / Mozzarella / Frisches Eigelb
Rafaele Solito

Rafaele Solito ist der Pasta König. In Rheinfelden serviert er seinen Gästen authentische italienische Gerichte.

Ausgezeichnetes Olivenöl, die besten Tomaten, ein ganz frischer Teig und etwas Parmesan, so funktioniert die ursprüngliche italienische Küche.
Vertreter einer avantgardistischen Richtung haben es dagegen in Italien schwer, man ist eher traditionell ausgerichtet.
Alles was nicht so schmeckt wie bei der mamma wird gerne misstrauisch beäugt.

Die Raviolone setzen ganz auf das Mundgefühl. Auf der Zunge und im Gaumen werden Ricotta, Mozarella und das frische Eigelb cremig vulkanisiert, ein herrliches Erlebnis. Ein enger Aromenakkord bearbeitet die Sinne nachdrücklich, das ist interessant. Mit einer kleinen Dissonanz, vielleicht durch eine Trüffelscheibe oder etwas Abrieb der Amalfi Zitrone, hätte man noch mehr Spannung aufbauen können.
Durch seine samtige Textur gelingt das Gericht.

Bratkartoffel 2019
Pata Negra / Petersilie / Zwiebel / Kartoffelnussbutter
Daniele Tortomasi, Favorite Mainz

Daniele Tortomasi darf bei  Harald Wohlfahrt lernen, ein Privileg! Schnell wird er dort Chef Poissionier. Nun ist er mit nur 24 Jahren bereits Küchenchef im Mainzer Gourmetrestaurant Favorite, eine erstaunliche Entwicklung. Auch beim Koch des Jahres hat er sein Können schon unter Beweis gestellt. O-Ton Tortomasi:

Ich will beruflich alles erreichen, was der liebe Gott zulässt.

Sein Teller pendelt sich zwischen rustikal und hypermodern ein. Eine schöne Dekonstruktion, deftig und gleichzeitig raffiniert. Der klein gewürfelte, angeröstete Pata Negra Schinken versteckt sich unter einer feinen Kartoffelcreme wie der Schatz Ali Baba’s in der Räuberhöhle. Sehr spektakulär ist die mit Sojalecithin stabilisierte „Air“, die wie eine Wolke dem Gericht entschwebt, körperlos aber aromatisch. Ein Petersilien-Coulis sorgt für frische Akzente. Sehr gut gemacht, ideenreich, witzig, phantasievoll.

Bayrisches Surf & Turf vom Holy Beef & Crusta Nova
Rosa gebratenes Onglet / Markkruste / Bayrische Garnele
Texturen vom Sellerie


Geräuchertes Dinkelrisotto / Blattsalatcreme / Miso / Aubergine

Christopher Sakoschek, CS Cooking, Vize Koch des Jahres 2017
Christoph Altmann, Toni’s by Wenisch

Foto: copyright Julián Redondo Bueno / KDJ

Ich kenne Christopher Sakoschek seit der KDJ-Edition in Salzburg. Der sympathische Österreicher überrascht damals mit seinem Wettbewerbsbeitrag Feijoada, Octopus, Whiskyschaum und Hühnerherzen. Eine brasilianische Geschmacks-Tonleiter, die er brillant spielt!
Um seine Auftraggeber mit frischen Kreationen zu begeistern, ist der Privatkoch ständig auf dem Globus unterwegs.

Christopher Altmann pflegt in seinen Gerichten die Liebe zu Frankreich und zum Mittelmeer.
Gerne interpretiert er bodenständige Gerichte ganz neu. Seine Vorbilder sind Eckart Witzigmann und Erich Schwingshackl. Er mag die regionale Küche, ein Aspekt, der in Zeichen der Klimakrise immer mehr in den Mittelpunkt rückt.

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.

Karl Valentin

Dieses Bayrische Surf & Turf erinnert mich an beste französische Brasserieküche. Ein echtes Geschmackserlebnis, Bayern pur. Kontrastreicher Teller mit intelligent gesetzten Kontrapunkten. Die Sellerietexturen tanzen durch die Nase wie ein Wiener Walzer. Das Onglet beweist: Es muss nicht immer Filet sein. Die Qualität der Bayrischen Garnele ist unübertroffen. Surf & Turf im neuen Gewand, der Teller macht richtig Spaß.

Ein kerniges Dinkelrisotto präsentiert sich zusammen mit Aubergine und Miso. Die aromatisierte Aubergine erscheint wie ein kulinarisches Trompe-l’œil, sehr raffiniert. Gutes Miso ist stets eine facettenreiche geschmackliche Bereicherung, das zeigt sich auch hier wieder.

Die Blattsalatcreme macht ihrem Namen Ehre, Textur und Aroma fügen sich passend zur Komposition.

Cobia Sashimi
Shiro Saku / Wassermelone / Avocado / Saiblings Caviar
Christian Sturm-Willms, Yunico*, Bonn, Koch des Jahres 2013

Foto: copyright Julián Redondo Bueno / KDJ
Foto: Mathias Guthmann

Christian Sturm-Willms ist eine feste Größe in der Hochküche. In seinem Bonner Restaurant Yunico verbindet er kulinarisch die Kontinente. Der Gault & Millau schreibt:

Seine Gerichte wirken wie eine japanische Tuschzeichnung, die durch wenige, kluge Pinselstriche ganze Landschaften auf dem Teller schafft.

Dieser Satz beschreibt die Kochkunst von Sturm-Willms recht treffend. Die Kompositionen des Meisterkochs wirken frisch und jung, sind aber trotzdem voller Tiefe.

Der puristische Cobia dialogisiert mit der komprimierten Melone. Der Teller glänzt mit tropischen Klängen, eine zitronig-pfeffrige Note sorgt für Spannung. Die Avocado wirkt wie eine Aromabrücke, kraftvoll meldet sich immer wieder der Saiblingskaviar zu Wort: „Probier mich doch”. Hier darf man experimentieren und kombinieren, es passt immer.
Ein wirklich schönes Aromen-Gemälde.

Balfegó Thunfisch / Tomatenhonig
Meerettich / Kresse / Zitronenhonig
Tobias Wussler und Marco Wussler, Ponyhof Stammhaus, Gengenbach

2016 schrieb ich über die Wussler-Brüder:

Die Brüder rocken den Ponyhof in Gengenbach mit ihren regional orientierten Gerichten, Schwarzwald pur, aber alles andere als provinziell!

Daran hat sich nichts geändert. Inzwischen gibt es den Ponyhof auch in der Gengenbacher Stadtmitte, man hat sich vergrößert!

Typisch Wussler-Brüder, ein kraftvoller, kompromissloser Teller.
Meerrettich, Kresse und Thunfisch, eigenwillig und außergewöhnlich.
Der Thuna wird mit dem Tomatenhonig leicht lackiert. Der Meerrettich kommt mit einem plakativen Hallo-Wach-Effekt daher, warum nicht?  Sehr spannend!

Ein sehr gutes Menü, vielleicht zu viele Gänge. KDJ zieht alle Register und feiert sich selbst, das ist gut so! Die Scheck-in Kochfabrik in Achern ist praktisch ausverkauft. Wie immer ist das Event perfekt inszeniert. Das Format Koch des Jahres ist für ehrgeizige und talentierte Köche nach wie vor sehr interessant, eine gute Platzierung wirkt wie ein Karriere-Booster. Im Herbst findet das Finale beim Hauptsponsor des Wettbewerbs statt, auf der ANUGA in Köln, man darf sich darauf freuen.

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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