In meinen Augen der Referenz-Teller:

«Meeresfrüchte & Hamachi, Sepia roh mariniert & Seegurke. Sashimi von Hamachi. Seegras. Marinade aus Auster, Limone, Sake & Reisessig»

Dollase nennt das Gericht eine Deklination von Meeresfrüchtearomen, es ist ganz klar Avantgarde! Zunächst ist der Hauptdarsteller nicht zu identifizieren, das spricht für die ausgezeichnete Balance des Tellers. Ohne zu dominieren setzt sich geschmacklich vielleicht  die Auster durch. Leichte Schärfe (Zucchini-Wasabi-Creme), Schmelz und Tiefe (Sesamöl) und Frische (Apfelair-Parfümierung). Wunderbar!

Bau hat nie vergessen, wo er herkommt, er ist immer noch heimatverbunden. Seine Wurzeln liegen im Herzen Badens, er ist in Offenburg geboren und aufgewachsen. Den letzten Schliff erhielt er bei Harald Wohlfahrt, dort lernte er die herrlich leichte, französische Küche.

Die Gerichte von Christian Bau sind nicht explizit japanisch oder französisch, die eingesetzten Elemente bringen seine Empfindungen zum Ausdruck. Immer wieder versteht es Bau, Strukturen, auch küchentechnischer Natur aufzubrechen, eine aufgelockerte Menüfolge, die vielen Amuse-Gueules und die Entremets, Bau ist für alles offen, man könnte von einer „Voyage Culinaire“ sprechen. Bau ist ein Kosmopolit, stets neuen Eindrücken aufgeschlossen, er bindet sich nicht an bestimmte Vorstellungen, verfolgt aber stets seinen eigenen Stil, das zeigt sich plastisch in seiner traumwandlerisch sicheren Rezeptgestaltung.

«Birnentarte Mal Anders»

Diese Dekonstruktion einer klassischen französischen Birnentarte ist modern und zeitlos.
Den Boden bilden knusprige Streusel, die Birne wird mit Birnengelee intensiviert. Salzbuttercaramelwürfel, kleine Crème-brulée-Elemente und ein Birnenbonbon vervollständigen die Kreation. Für den sensorischen Knaller sorgt das Brioche-Eis. Klasse!

Der Werdegang von Christian Bau zeichnet sich durch solides Handwerk und höchstmögliche Präzision aus, er war nur bei den allerbesten Lehrmeistern, schließlich Sous-Chef bei Harald Wohlfahrt in der berühmten Schwarzwaldstube in Tonbach. Kein Teller verlässt bis heute den Pass ohne die Kontrolle des Chefs. Die Ware wird jeden Morgen geprüft, die wichtigsten Saucen von ihm zubereitet.
Vom Ansatz her ist seine Herangehensweise eher intuitiv, Christian Bau:

Die meisten Gerichte entstehen aus einem Gedanken, der auf einen Geschmackseffekt abzielt, dann werden einige Proben gekocht und das Gericht sukzessive optimiert, bevor es der Gast vorgesetzt bekommt, ich mache, was ich fühle!

«Langoustine ‚Medaillons‘. Joghurt. Kürbis. Curryöl»

Ein zweiteiliges Langoustinen-Gericht. Bau präsentiert mehrere aufeinanderfolgenden Zubereitungen des Themas. Das Ganze ist aber keine technische Etüde sondern viel mehr eine Art kammermusikalische Ouvertüre, eine Melodie, die dann später vom eigentlichen Gericht aufgegriffen wird.
Der Aufbau erinnert an die Patisserie, zum Einsatz kommen Schaum und Eis. Kürbiseis und Schaum sind zurückhaltend gewürzt, so darf die leicht durch Limonenmarinade gezogene Langoustine in der Konstruktion glänzen. Jodige Aromen, frische, leichte Schärfe, Biss und Tiefe. Hervorragend!

„Qualität kommt von (sich) quälen“, so steht es wohl über dem Pass auf Schloss Berg geschrieben. Schon Alain Ducasse prägte eine kulinarische Formel für die Haute Cuisine: „Kochkunst ist zu 60% das Produkt und zu 40% die Technik“

über den Autor

Mathias

Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays, Reiseberichte und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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