Wieder einmal ist die Scheck-iN Kochfabrik in Achern Schauplatz des Wettbewerbs Koch des Jahres.
Zwei Tage lang kämpfen 16 Teams um den Einzug ins große Finale.
Zusätzlich zum Preisgeld winken den Gewinnern Ruhm und Ehre. Manche der Finalist*innen werden bald mit einer Erwähnung oder gar einem Stern im Guide Michelin belohnt.
Überhaupt, der Aufstieg zum Kocholymp, wo die Michelin-Sterne hell leuchten, ist steinig und voller Entbehrungen!
Außer dem Talent, dem unbedingten Willen und der Bereitschaft, sehr viele Stunden am Herd zu verbringen, braucht es immer auch das berühmte Quäntchen Glück, um am Ende die Früchte seiner Arbeit zu genießen.
Wettbewerbe bieten eine hervorragende Bühne, sich selbst aus der Masse zu heben, seine Kunst einem Fachpublikum zu zeigen, seine Fertigkeiten zu vervollkommnen und den Weg an die Spitze vielleicht ein wenig abzukürzen.
Wenn es nicht für das Finale oder einen der vorderen Plätze reicht, so steigert man mit Sicherheit seinen eigenen Bekanntheitsgrad und vielleicht sogar seinen Marktwert.
Koch des Jahres, ein etablierter Wettbewerb!
Das Vorfinale findet 2023 zum ersten Mal unter dem neuen Veranstalter RoiKa Solutions GmbH mit Nuria Roig de Puig als Geschäftsführerin statt.
Sie ist es übrigens, die den Wettbewerb 2010 von Spanien nach Deutschland importiert. Auf der iberischen Halbinsel ist der „Cocinero del Año“ damals schon ein Quotenhit.
Für das Projekt gewinnt man den ehemaligen Dreisternekoch Dieter Müller, der mit seiner Erfahrung und seiner Expertise von Anfang an dabei hilft, das Format auch in Deutschland erfolgreich zu vermarkten.
Mit jeder Ausgabe steigert sich das Niveau und damit natürlich auch die Anforderungen an die Teilnehmer. Technische Finesse, Kreativität, Ideenreichtum und Stilsicherheit, so klingen die Akkorde einer Siegerhymne.
Schon während der Bewerbungsphase entscheiden die Verantwortlichen, wer überhaupt für die Endausscheidung zugelassen wird.
Vermittelt der Menü-Vorschlag eine Idee, oder gar eine Botschaft? Reicht das technische Können? Hat der Bewerber das Potential auch in kritischen Situationen kühlen Kopf zu bewahren?
Macht mir endlich einmal einen Fisch mit Sauce!
Dieter Müller, Kochlegende
Eines schönen Tages bringt der Postbote einen Brief, mit zittrigen, schweißnassen Fingern reißt der Aspirant den Umschlag auf. „Ich bin dabei“, schreit er in die Welt hinaus und kann sein Glück dabei kaum fassen.
Nach dem ersten, wohligen Schreck beginnt die Zeit der Vorbereitung.
Ein Pianist, der beim berühmten Chopin-Wettbewerb in Warschau spielt, legt zuerst sein Wettbewerbsprogramm fest, dann kommt die technische Übungsphase, schließlich sammelt er mit seinem Programm Bühnenerfahrung und Routine, bis endlich der große Tag da ist.
Bei Koch des Jahres wird das Menü bereits in der Bewerbungsphase festgelegt. Ich gehe davon aus, dass die Teilnehmer während der Vorbereitungszeit im Rahmen der Möglichkeiten üben und das eine oder andere Testessen durchführen.
Der Küchenchef wird mit helfender Hand beistehen. Manche Köche überlassen nichts dem Zufall und proben akribisch für den Wettkampf.
In den letzten Tagen vor dem Wettbewerb geht es hektisch zu. Listen werden erstellt. Einkäufe getätigt. Bestimmte Abläufe werden immer und immer wieder gedanklich durchgespielt.
Der Wettbewerb
Christian Bau, Dreisternekoch
Do things with passion or don’t do it
Wenn die Teams endlich die Kochinseln besetzen, zählt vor allem Sicherheit und Professionalität. Jeder Handgriff muss sitzen, jeder weiß, wo sein Platz ist. Die technische Jury achtet darauf, dass Servicezeiten eingehalten werden und die Kandidaten nicht mogeln.
Diesmal mit dabei: Jan Pettke (Scheck-In Kochfabrik, Achern), Patrick Lorenz (Upfield, Deutschland), Christian Thiele (RATIONAL, Deutschland) und Marvin Böhm (Aqua***, Wolfsburg), sowie Fabrice Ohlmann (EPOCA by Tristan Brandt*, Waldhaus Flims Wellness Resort & Spa, Flims (CH)) als Servicejury.
Zuschauer, Beteiligte, Presse, Juroren. Die Spannung ist greifbar, jeder spürt, um was es hier geht. Die Temperatur im Raum steigt. Man krempelt die Ärmel hoch, löst Krawattenknoten.
Tausend aufmerksame Augen beobachten, wie filigran, wie exakt, wie hingebungsvoll die Teller angerichtet werden. Das Auge isst mit. Und die Psyche! Letzteres wird gerne oft unterschätzt.
Die Jury
Nach getaner Arbeit übernimmt die hochkarätig besetzte Jury. Auf der Liste für diese Ausgabe stehen so illustre Namen wie Torsten Michel aus der Schwarzwaldstube, Tristan Brandt (Spitzenkoch, internationaler Patron für kulinarische Projekte), Ricky Saward (erster deutscher Michelin Vegan-Koch) und viele andere.
Am Abend die legendäre Küchenparty! Bei diesem Dinner der Extraklasse werden wichtige Wildcards vergeben. Geladene Gäste aus Gastronomie und Presse entscheiden darüber, welcher Teilnehmer doch noch ein Finalticket ergattert.
Ich selbst war diesmal mit dabei und möchte Ihnen meine kleinen kulinarischen Notizen zu den einzelnen Kreationen nicht vorenthalten.
Wildcards
Hans Lange (Küchenchef, Rotissier du Sommelier, Essen) serviert uns auf einem Teller Zwei Kulturen, Ein Geschmack.
Die Komposition glänzt durch feine Sensorik. Ein wenig Chili-Schärfe sorgt für Animation im Mundraum. Ein typisches Sommergericht mit tropischen Zitaten. Erfrischung pur. Schmeckt wie ein schöner Abend auf der Terrasse, im Hintergrund zirpen die Zikaden (ist das nicht herrlich kitschig, liebe Leserinnen?).
Sascha Leim kredenzt uns einen Schweinebauch Homestyle Edition, Ambrosialack, Grüne Papaya und Thom Kha.
Ein Klassiker. Plötzlich liege ich am Strand von Koh Samui, Kulinarik ist auch Zauberei liebe Leser, ein fliegender Teppich der Phantasie.
Handwerklich ist das erste Sahne, der Mann ist schließlich Küchenchef im Restaurant Silberberg, Traube Tonbach. Die Textur passt, das Aroma ist nachhaltig. Ein sehr gelungenes Thai-Zitat.
Die einzige Frau im Wettbewerb Entihal Khatib (Demichef de Partie, Restaurant Levi Leonardo, Royal Hotel Nürnberg) kocht für uns: Sherry, Hering, Krustentiersud, Pistazie.
Die wohldosierte, dennoch erstaunliche Salzigkeit überrascht und erfreut gleichermaßen. Typisches Beispiel für ein gelungenes Texturen- und Aromenspiel. Der Fisch ist raffiniert verbaut. Naher Osten auf dem Teller, dafür sorgt die Pistazie.
Zeitlos, elegant mit einer zarten Brise femininer Leichtigkeit, Merci Madame!
Fabian Höckenreiter (Souschef Restaurant Huberwirt*, Pleiskirchen) versucht es mit den Meatballs for the People (Vegan). Die Idee dafür kam ihm bei einem Ausflug nach Stockholm, wo er auf ein Restaurant mit genau diesem Namen stieß. Die Fleischbällchen schmeckten ihm ausgezeichnet und damit diese Botschaft auch überall ankommt, hat er sein Gericht einfach nach dem Restaurant benannt.
Fabians Fleischbällchen fallen durch ihr kräftiges Röstaroma auf.
Ein paar Pilze verfeinern den Teller. Für den einen oder anderen ist das vielleicht echtes Soulfood. Für mich fehlt die entscheidende Portion Frechheit. Aber vielleicht soll ja die Message lauten: Harmonie Leute, Harmonie! In der heutigen Zeit kann das nicht falsch sein.
Marcel von Winckelmann (Küchenchef im Landgasthof zum Müller in Ruderting), Alpen Jause!
Was Marcel hier auf den Teller bringt ist erstens amüsant, zweitens unterhaltsam und drittens sehr gut gemacht.
Das geräucherte Maibocktatar rockt wie Sau. Radieschen Relish und Philadelphia-Frischkäse treffen sich bei Vollmond in der Scheune auf ein Schäferstündchen, da wird sicher nicht lange gefackelt. Bärlauch ist schlau eingesetzt, nicht zu plakativ. Ein tolles Ding. Das ist Programmküche par Excellence. So funktioniert kulinarisches Storytelling.
Riccardo Ponti (Souschef Gioias Restaurant, Rheinau): IT-DE (Vegan).
Eine vegane Gemüsebolognese. Das Gericht ist dekonstruiert, die einzelnen Elemente wie Hackfleisch, Béchamel-Sauce und Käse muss der Gast selbst auf seiner Gabel zum angestrebten Endprodukt zusammenfügen.
Pontis Vortrag ist sehr professionell. Béchamel sehr cremig. Am veganen Gemüsehack muss noch gearbeitet werden. Textur, Struktur und Sensorik stimmen. Dem Aroma fehlt leider ein wenig der Charme. Wichtig zu wissen: Der Warenkorb für das Gericht am Abend ist vorgegeben, nicht einfach!
Matias Acuna (Souschef Restaurant Nigrum Baden-Baden): 4 Elemente by Norwegian Seafood, Boiron, Moak.
Ein bekanntes Pairing: St. Jacques & Kaffee. Sublime Qualität der Muschel. Der Koch sollte das edle Produkt so behandeln, wie der Agent seine Starsopranistin vor dem Auftritt in der Mailänder Scala, wo sie das Publikum mit einer virtuosen Koloratur-Arie von den Sitzen reißen soll:
Zärtlich, beschwörend, einfühlsam, leise.
Das gelingt hier nicht. Die Sauce ist elegant, sie ist gut, vielleicht sogar sehr gut, darüber gibt es keinen Zweifel. Die Dosierung zerstört leider das Gesamtgebilde, von jeder Zutat findet sich etwas zu viel auf dem Teller. Das ist schade. Trotzdem ein außerordentlich talentierter Koch. Acuna wird seinen Weg machen.
Sebastian Schwesiger (Küchenchef, Swiss Chaelt Merlischachen CH): Tacos de Mecal y mole (vegan)
Eine tolle Idee, jeder liebt Streetfood. Gute Tacos sind eine Kunst. Ich mag sie gerne mit gezupftem Hühnerfleisch, Koriander und schwarzem Bohnenmus. Eine ordentliche Portion Käse drauf etwas Chili, wow. Oder vegetarisch, mit Guacamole, frischen Zwiebeln und Limonenzesten.
Ich vermute Probleme mit dem Warenkorb. Der Biss ist ein klein wenig pappig, so kommt es mir jedenfalls vor. Das vegane Hack ist sehr gesättigt und hat einen hohen Fettgehalt. Das ist ja per se kein Beinbruch. Hier fällt mir aber der Verzöhr ein wenig schwör.
Die Chilisauce wiederum hat ordentlich Dampf und macht Spaß. Wahrscheinlich lässt sich die Kreation gut vermarkten, das passt für ein jugendliches, ernährungsbewusstes Publikum. Vegan ist Zukunft Leute!
Die Finalisten
- Entihal Khatib, Demi Chef de Partie – Leonardo Royal Hotel, Nürnberg
- Marcel Förster (Küchenchef, Agata’s*, Düsseldorf)
- Miguel Marques (Sous Chef, Alois By Dallmayr Fine Dining**, München)
- Antonio Amer Baqué (Sous Chef, Restaurant Facil**, The Mandala Hotel, Berlin)
- Simon Bantle (Sous Chef, EPOCA by Tristan Brandt*)
- Marcel von Winckelmann (Küchenchef, Landgasthof zum Müller, Ruderting)
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